Toleranz jenseits von Versöhnungskitsch
Ulrike Schrader hat eine sechsteilige Vortragsreihe zu Glaube, Toleranz und Politik organisiert.
Wuppertal. „Über Toleranz mal quer nachdenken - jenseits von Versöhnungskitsch“, das war Ulrike Schraders Grundidee für die von ihr organisierte sechsteilige Vortragsreihe Glaube, Toleranz, Politik. Auslösendes Moment war für die Leiterin der Begegnungsstätte Alte Synagoge, dass Schauspielintendantin Susanne Abbrederis Lessings Stück „Nathan der Weise“ auf dem Spielplan hat.
Wie hält es der Aufklärer Lessing denn nun mit der Religion? Ist die Ringparabel tatsächlich ein Plädoyer für die gegenseitige Toleranz der Religionen, wie landläufig behauptet wird? Oder ist der „Nathan“ ein Stück gegen alle Religionen? So versteht es Susanne Abbrederis: „Es hat nie Toleranz gegeben.“ Oder hat sich Lessing, der unter Zensur stand, nur geschickt herauslaviert, indem er die Antwort auf die Frage, welche die beste alle Religionen sei, auf eine viel spätere Zukunft verschiebt?
Schrader möchte mit ihrer Veranstaltungsreihe diese Fragen vertiefen, die Schwierigkeiten nicht aussparen und die „aktuellen Diskussionen substanziell füttern“. Die Kooperation mit den Bühnen beschränkt sich im übrigen darauf, dass man gegenseitig für die Veranstaltungen wirbt. „Es gibt keine inhaltliche oder personelle Unterstützung durch das Schauspiel“, sagt Schrader.
Im Zentrum der ersten Veranstaltung am Sonntag um 19 Uhr in der evangelischen Citykirche, Kirchplatz 2, steht die Rede, die der damalige Bundespräsident Johannes Rau 2004 anlässlich des 275. Geburtstags von Gotthold Ephraim Lessing in Wolfenbüttel gehalten hat.
Der Schauspieler und Sprecher Philipp Schepmann wird den Text vortragen, in dem sich Rau mit der Frage auseinandersetzt, „wie Menschen miteinander leben können, die ganz unterschiedliche Dinge für wahr und richtig halten und auch manches tun, was die jeweils anderen unbegreiflich finden“ — und spricht dazu über den Kopftuchstreit, der schon damals die Gemüter erhitzte. Der bekennende Christ Rau, theologisch und literarisch versiert, dachte hier laut nach über das Verhältnis von Staat und Religion, über Freiheit für und von der Religion. „Damit würde er sich heute ins Kreuzfeuer der Meinungen stellen“, ist Ulrike Schrader überzeugt. Aber weil sich die Gesellschaft mittlerweile stark polarisiert hat, ist es umso sinnvoller, einen kulturhistorischen Blick auf die Toleranz zu werfen: Welch Gedanken hat es schon früher dazu gegeben?
So spricht der Theologieprofessor Johannes von Lüpke am Donnerstag, 9. Februar, um 18 Uhr in der Begegnungsstätte Alte Synagoge, Genügsamkeitstraße, über den „Nathan“ aus theologischer Sicht. Der Nürnberger Rabbiner Jehoschua Ahrens spricht am Dienstag, 21. Februar, um 19 Uhr in der Alten Synagoge zum Thema „Hin zu einer Partnerschaft zwischen Juden und Christen“. Das ist insbesondere spannend, weil orthodoxe Juden wie Ahrens sich erst seit einem Jahr einen Dialog mit Christen überhaupt vorstellen können. „Vorher wurde immer das Trennende betont“, so Schrader.
Da die Johannes-Rau-Stiftung das Projekt fördert, ist der Eintritt zu allen Veranstaltungen frei. Alle Informationen zu den weiteren Vorträgen gibt es im Internet.