Unternehmer und Spion: Johann Gottfried Brügelmann

Der Elberfelder ließ in Ratingen die Garnfabrik „Cromford“ bauen.

Foto: Anette Hammer

Im 18. Jahrhundert war England gleichsam „der Nabel der Welt“: Kapitalismus und industrielle Revolution nahmen hier ihren Anfang, während Deutschland (bzw. dessen Teilstaaten) noch auf der Stufe eines industriellen Entwicklungslandes verweilte. Alle führenden Erfindungen in Sachen Maschinenbau oder Fertigungstechnik stammten in dieser Zeit von der Insel. Britische Techniker und Tüftler hatten in allen Belangen die Nasen vorn. Das hatte Folgen. Deutsche Industriespione schifften sich regelmäßig ein, um den Briten über die Schultern und auf die Finger zu schauen. Die Jagd auf Plagiate war bereits im Frühkapitalismus verbreitet.

Wuppertaler

Geschichte

Einer dieser „Spione“ war der 1750 in Elberfeld geborene Kaufmann und Textilunternehmer in Spe, Johann Gottfried Brügelmann, der von der Erfindung eines gewissen Richard Arkwrights gehört hatte, der im englischen Cromford in der Provinz Derbyshire eine mechanische Spinnmaschine gebaut hatte. In den 80er Jahren des 18. Jahrhunderts gelang es Brügelmann, einen als Arbeiter getarnten, nahen Bekannten in Londoner Spinnereien einzuschleusen, um die Geheimnisse des „Waterframe“, der wassergetriebenen Spinnmaschine, zu lüften. Er selbst blieb daheim.

Mit anderen Worten: Brügelmann ließ spionieren und verwertete die Ergebnisse: 1783 baute er am Angerbach in Ratingen eine florierende Garnfabrik, die er nach englischem Vorbild und ungeniert „Cromford“ nannte. Er machte damit ein Vermögen, ließ sich ein dreistöckiges Wohnhaus im Bergischen Barockstil bauen und erhielt vom fernen Landesherrn, Kurfürst Karl Theodor von der Pfalz, den Titel „Kommerzienrat“ verliehen.

Immerhin stattete dieser dem umtriebigen Unternehmen von München aus eigens einen der wenigen herrschaftlichen Besuche in der Region ab. Der ökonomische Erfolg strahlte offenbar bis nach Bayern aus. Gut fürs Geschäft: Protektion und Privilegien waren damit gesichert. Brügelmann expandierte zügig, auch nach Elberfeld, wo er auf dem Hofkamp gemeinsam mit dem Bruder ein Textilgeschäft betrieb. Das nötige Kapital dafür hatte er: Die Heirat mit einer reichen jungen Witwe aus der Familie Bredt machte es möglich. Mit 48 Jahren erkrankt der Mann dann an hartnäckigem Rheuma und stirbt 1802 als einer der reichsten Männer des Rheinlandes in seiner neuen Wahlheimat Düsseldorf. Heute gilt er als frühindustrieller Innovator, der die mechanische Spinnmaschine nach Europa brachte - als Plagiat.