Verletztes Frühchen: Klinik entschuldigt sich bei Eltern

Ein Behandlungsfehler, ein schwer verletztes Frühchen und ein Oberarzt unter Fälschungsverdacht: Wie die St. Anna-Klinik um ihren Ruf kämpft.

Wuppertal. Äußerlich war am Mittwochnachmittag rund um die St. Anna-Klinik alles beim Alten: Vor dem Haupteingang hielten sich mehrere werdende Mütter auf — gut gelaunt und optimistisch. Die frühere Landesfrauenklinik hat seit Jahren einen exzellenten Ruf.

Das Kontrastprogramm dazu fand um 15.30 Uhr in einem Hörsaal der Klinik statt. Thema der vom Verbund der Cellitinnen-Krankenhäuser anberaumten Pressekonferenz: die Falschbehandlung von drei Frühchen im Februar auf der vom Klinikverbund und Helios gemeinsam betriebenen Neugeborenen-Intensivstation bei St. Anna.

Der Fall ist bekannt: Durch eine Falschübermittlung eines Rezepts wurden tausendfach zu hoch dosierte Augentropfen verabreicht. Einem der Frühchen — einem Jungen aus Solingen — wurden die Netzhäute nahezu irreparabel verätzt. Menschliches Versagen? Die Staatsanwaltschaft ermittelte zunächst „nur“ wegen fahrlässiger Körperverletzung.

Doch wie berichtet, hat der Fall eine neue Dimension bekommen. Die Ermittler sind davon überzeugt, dass der Fehler bei der Übermittlung des Rezepts nachträglich vertuscht werden sollte — von einem Oberarzt, der bei Helios angestellt und seit geraumer Zeit für den Klinikverbund tätig ist. Die Staatsanwaltschaft geht von Urkundenfälschung aus.

Deswegen die Pressekonferenz. Auf der sprach die Sprecherin der Geschäftsführung, Adelheid May, von einem „unentschuldbaren Behandlungsfehler“ und der „persönlichen Betroffenheit“ der Mitarbeiter. Sie entschuldigte sich erneut bei den Eltern des verletzten Babys aus Solingen.

Fakt ist: 200 Frühchen, die pro Jahr bei St. Anna erfolgreich behandelt werden, und 2000 Geburten pro Jahr steht dieser eine gravierende Behandlungsfehler gegenüber. Und dann auch noch der Vorwurf der Urkundenfälschung gegen einen Oberarzt, der nach WZ-Informationen bei Helios als „hochkompetenter Mann“ gilt.

Natürlich wurde am Mittwoch die Frage gestellt: „Ist der Arzt noch im Dienst?“ Die Sprecherin der Geschäftsführung bejaht das. Hintergrund: Der Klinikverbund hat bislang keine Akteneinsicht erhalten. Ohne direkten Zugriff auf die Ermittlungsergebnisse gebe es keinen Anlass für dienstrechtliche Konsequenzen, sagt Adelheid May.

Und sie sagt, dass der Klinikverbund von Beginn an im Sinne „einer offenen Fehlerkultur“ alles getan habe, um die Staatsanwaltschaft bei der Aufklärung zu unterstützen. May: „Wir vertuschen nichts.“

Das bestätigt auch der Sprecher der Staatsanwaltschaft am Mittwoch auf WZ-Nachfrage. Die Ermittler bleiben allerdings beim Fälschungsverdacht gegen den Oberarzt.

Helios — dort ist der Oberarzt angestellt — nahm am Mittwoch nicht an der Pressekonferenz teil. Man behalte sich rechtliche Schritte vor, hieß es dort auf WZ-Nachfrage. Und: „Die Unschuldsvermutung gilt.“ Der Oberarzt habe seinerzeit die offenbar manipulierten Unterlagen persönlich bei der Geschäftsführung abgegeben.

Der Klinikverbund versucht, in die Zukunft zu blicken: Man habe die Fehlerkette analysiert, mit allen Mitarbeitern gesprochen und Konsequenzen im Umgang mit Rezepten gezogen. Künftig dürfen nur noch Originale verwendet werden, hieß es am Mittwoch.

Übermittlungsfehler mit einem solch tragischen Ausgang soll es in der St. Anna-Klinik nie wieder geben.