Begrabt mein Herz in Wuppertal Verschwörungstheorie mit Durchblick

Kolumnist Uwe Becker über Wahrheiten.

 Uwe Becker, 1954 in Wuppertal geboren, ist Chefredakteur des Wuppertaler Satiremagazins Italien und Mitarbeiter des Frankfurter Satiremagazins Titanic. Jeden Mittwoch schreibt er in der WZ über sein Wuppertal.

Uwe Becker, 1954 in Wuppertal geboren, ist Chefredakteur des Wuppertaler Satiremagazins Italien und Mitarbeiter des Frankfurter Satiremagazins Titanic. Jeden Mittwoch schreibt er in der WZ über sein Wuppertal.

Foto: Joachim Schmitz

Der Journalismus hat es dieser Tage hier in Wuppertal, aber auch anderswo, nicht einfach. Mit dem unappetitlichen Begriff „Lügenpresse“ müssen sich viele journalistisch tätige Mitarbeiter von Zeitungen und Zeitschriften schon länger beschimpfen lassen. Dabei arbeiten die meisten ganz ordentlich und gewissenhaft. Wenn sie mal etwas aufdecken, kommt aber leider fast immer jemand, der es wieder zudecken will. So geht das natürlich auch nicht.

Bei uns gibt es ja, dem Himmel sei Dank, Gerichte, die unabhängig entscheiden können, wenn sie wollen. Und die Mehrzahl der Gerichte wollen das natürlich auch. In Sachsen soll es ein paar Ausnahmen geben, man hört von Landgerichten, die etwas willkürlich urteilen. Aber damit will ich mich hier nicht beschäftigen. Dass nach Gerichtsurteilen Betroffene und im Prozess Verwickelte die richtigen Entscheidungen treffen, in dem sie von einem Amt zurückzutreten, weil sie böse, gemein und rufschädigend gehandelt haben, das passiert leider viel zu selten. Viele Vergehen sind einfach nicht strafbar. Nur moralisch verwerflich, hochgradig hinterlistig, aber eben nicht strafbar. Da fehlt vielen am Ende dann die Charakterstärke, um Schuld einzugestehen und um Verzeihung zu bitten.

Ich finde, Journalisten sollte man in Ruhe arbeiten lassen. In Polen und Ungarn stirbt diese Zunft schon langsam aus, das sollte uns allen zu denken geben. Journalisten dürfen auch mal frech sein und übermütig. Aber sie sollten immer ehrlich sein - also fast immer. Ich persönlich bin froh, dass ich kein Journalist bin, sondern Kolumnist. Ich muss nicht akribisch recherchieren, Fakten abgleichen, Beweise sammeln, Aussagen überprüfen. Dazu würde mir nicht nur die Zeit, sondern auch die Muße fehlen. Ich darf, wie der Baron von Münchhausen, frei von der Leber weg meine Meinung schreiben.

Und darin bin ich auch geübt, leite ich doch das Italien-Magazin, das seit über 35 Jahren meist gelesene Monatsheft für Bergische Verschwörungstheorien. Ich glaube grundsätzlich gar nichts, was mir erzählt wird, was ich irgendwo lese oder im Radio und Fernsehen höre und sehe. Selbst wenn mein eigener Name aufgerufen wird, wie im Wartezimmer des Arztes, bleibe ich skeptisch und schaue mich erst einmal um, ob es nicht einen Namensvetter gibt, der vor mir an der Reihe ist.

Ein mir bekannter, berühmter Verschwörungstheoretiker, der auf einer Insel lebt, glaubt nur an Ereignisse, bei denen er persönlich dabei war. Also glaubt er nicht an die Mondlandung. Okay. Ich glaube auch nicht unbedingt an die Mondlandung von 1969, weil es damals unter anderem noch nicht einmal das Video-System 2000 gab. Aber als Fußball-Fan glaube ich an unsere WM-Titel von 1954, 1974, 1990 und 2014, obwohl ich nicht direkt vor Ort war. Ich habe es nur, wie auch die Mondlandung, am Fernseher erleben dürfen. Aber am Gewinn dieser Weltmeisterschaften werde ich keinen Zweifel aufkommen lassen. Mein Lieblingssport ist mir da schon wichtiger als alle Verschwörungstheorien dieser Welt.

Manche davon sind mir auch zu albern. Ich hörte von einer Zeitmaschine, die im Vatikan stehen soll, na ja, da würde ich aber vorsichtig sein, bevor man solche Behauptungen in die Welt setzt. Reisen in die Zukunft werden bestimmt in 456 Trilliarden Jahren möglich sein, übrigens, aber in die Vergangenheit? Mir reicht es oft, wenn ich mich an gestern erinnere, obgleich es auch nicht immer sein muss. Als ehrlicher Verschwörungstheoretiker mit Durch- und Weitblick weiß ich, dass am Ende immer alles genau so eintrifft, wie ich es am Anfang bereits vermutet hatte.

Was den aktuellen Skandal des Tanztheaters um die Entlassung der Intendantin betrifft, wird das nicht anders sein. Das gemeine Volk erfährt weltweit nur maximal ein Prozent aller Wahrheiten. Aus Sicherheitsgründen geht das wohl nicht anders. Wenn sie diese Tatsache traurig macht, kann ich Trost spenden, in dem ich ihnen rate, dass sie sich die gesamte Wahrheit dieser Welt, also 100 Prozent der Wahrheit, als eine riesige Masse vorstellen, die ungefähr sechsmal in die Unendlichkeit des Universum passt. Oder siebenmal. Dann wäre aber ein Prozent bereits verdammt viel, oder?