Politik in Wuppertal „Viele Probleme lassen sich nur auf EU-Ebene lösen“

Petra Kammerevert war 15 Jahre lang als EU-Abgeordnete auch für Wuppertal zuständig.

Seit 15 Jahren ist Petra Kammerevert als Europaabgeordnete der SPD auch für Wuppertal zuständig.

Foto: FKPH/FELIX KINDERMANN

Essen und trinken kann man in Brüssel bekanntlich sehr gut, in Straßburg nicht minder. Aber viel Zeit und Lust, dem Gaumenschmaus zu frönen, hatte Petra Kammerevert in den vergangenen 15 Jahren gar nicht. „Wenn man den ganzen Tag in Sitzungen und im Plenarsaal gesessen hat, ist man abends nicht mehr in der Stimmung, auszugehen“, sagt die SPD-Europaabgeordnete, die auch Wuppertal im EU-Parlament vertritt – zumindest derzeit noch. Zur kommenden EU-Wahl wird sie nicht wieder antreten, unter anderem aus gesundheitlichen Gründen. Doch die Verbundenheit mit der Arbeit des europäischen Parlaments wird bleiben, wie sie betont.

In Straßburg in Frankreich, dem offiziellen Sitz des Europäischen Parlaments, war sie meist zwölf Mal im Jahr. Ansonsten war Brüssel ihr Arbeitsplatz: immer jeweils drei Wochen im Monat. Die belgische Hauptstadt liegt rund 200 Kilometer von ihrem Wohnort in Düsseldorf entfernt. „Das ist machbar“, sagt die gebürtige Duisburgerin. Die Fahrt nach Hause war also auch in der Woche durchaus möglich.

Riesiges
Zuständigkeitsgebiet

Das EU-Parlament absolviert allerdings nicht nur mehr Sitzungswochen als der Bundestag, auch die Zuständigkeitsgebiete der Abgeordneten sind ganz anders dimensioniert. „Da es für uns Europaabgeordnete im Unterschied zu den Landtags- und Bundestagsabgeordneten keine klassisch zugeschnittenen Wahlkreise gibt, haben sich die vier SPD-Europaabgeordneten aus NRW seinerzeit auf regionale Zuständigkeitsbereiche verständigt“, erläutert Kammerevert im WZ-Gespräch. „Mein Betreuungsgebiet umfasst die Städte Düsseldorf, Krefeld, Mönchengladbach, Remscheid, Solingen, Wuppertal, Leverkusen, Köln, Bonn, sowie den Rhein-Kreis Neuss, den Kreis Mettmann, den Rhein-Sieg-Kreis, den Rheinisch-Bergischen Kreis und den Oberbergischen Kreis.“ Die letzte offizielle Angabe stammt aus dem Jahr 2016: Ihr Zuständigkeitsbereich umfasste damals nicht weniger als 5 345 383 Einwohner. Das dürften mittlerweile noch ein paar mehr sein. „Ich nehme mir regelmäßig Zeit für persönliche Gespräche in allen Städten meines Betreuungsgebietes“, sagt Kammerervert. Sie hat auch viele Menschen zu Besuchen des Europaparlaments eingeladen, besonders auch Schulklassen. „Zeitweise hatte ich drei Besuchergruppen pro Woche zu Gast in Brüssel.“ Auch Firmenbesuche hat sie viele in der sitzungsfreien Zeit gemacht, war gern in Schulen zu Gast, um über die Arbeit einer Europaabgeordneten zu sprechen.

Seit dem 14. Juli 2009 gehört sie als Abgeordnete dem Europäischen Parlament an. Die Wahrnehmung der Menschen, was da genau auf Europaebene politisch geschieht, hat sich im Laufe dieser Jahre geändert, wie sie berichtet. „Vor 15 Jahren bedeutete Wahlkampf noch viel Institutionenkunde.“ Fragen nach den Aufgaben des Parlaments im Gegensatz zu jenen der Kommission der EU und derlei Dinge standen im Vordergrund. „Damals hörte man noch häufig die Meinung, dass die europäischen Institutionen nichts zu melden hätten“, erinnert sich die Europapolitikerin. „Heute ist klar: Viele Probleme lassen sich nur auf EU-Ebene lösen.“ Das Schimpfen über die EU als administrativer Wasserkopf, der sich um den Krümmungsgrad von Salatgurken statt um vernünftige Dinge kümmere, sei mittlerweile nicht mehr zu hören, sagt Kammerevert: „Vieles wird in Brüssel entschieden, was das Leben der Menschen direkt betrifft.“ Sie nennt etwa die Abschaffung der Roaminggebühren für die Smartphone-Nutzung, Bestimmungen zur Lebensmittelsicherheit und Garantie-Gesetze für technische Geräte. „Insbesondere in Deutschland gibt es hohe Zustimmungsraten zur EU“, weiß sie. Aktuell stehen etwa die Zukunft der Industriegesellschaft, die Sicherung der Arbeitsplätze und letztlich auch Krieg und Frieden als Themen auf der EU-Agenda. Sie erwähnt auch das Projekt Erasmus+ (siehe Infokasten), für das die EU mittlerweile 30 Milliarden Euro einsetzt. „Das Projekt schafft Zusammenhalt über Grenzen hinweg“, so die studierte Sozialwissenschaftlerin. Sorge bereitet ihr der Bereich Medienpolitik in Ländern wie Ungarn. „Hochwertige Information aus unterschiedlichen Quellen sind wichtig für die Freiheit, den Pluralismus, die Vielfalt in der EU. Sonst gerät unsere Demokratie grundlegend unter Druck.“