Vier Jahre Haft für Messerstiche in der City
Ein 34-Jähriger wurde wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Laut Gericht hat der deutsch-kurdische Diplom-Physiker teilweise aus Notwehr gehandelt.
Wuppertal. Er hat einen fast unglaublichen Lebenslauf, könnte als Musterbeispiel für Integration gelten. Doch weil der 34 Jahre alter Deutsch-Kurde im April dieses Jahres einen Geschäftsmann (48) und seinen Sohn (24) mit einem Messer schwer verletzt haben soll, wurde er am Donnerstag vor dem Landgericht zu einer Haftstrafe von vier Jahren verurteilt.
Das Gericht sah es als erwiesen an, dass es am Tattag zunächst zu einem Wortgefecht und Handgreiflichkeiten zwischen dem Angeklagten und dem Inhaber eines Bekleidungsgeschäftes gekommen war, den der Sohn des Mannes aus dem Geschäft beobachtete. Mit einem 50 Zentimeter langen Schuhlöffel aus Metall eilte er seinem Vater zur Hilfe und fügte dem Angeklagten eine Platzwunde am Kopf zu.
Als Reaktion darauf zog der Angeklagte ein Messer. Im darauffolgenden Kampf erlitt der Sohn eine seitliche Stichwunde, die sofortiges Milzbluten zur Folge hatte. Der Vater erlitt eine Stichwunde in die Brust und wurde an der Hand verletzt.
Selbst als der Geschäftsmann, der auch als Nebenkläger im Prozess auftrat, in ein anderes Bekleidungsgeschäft an der Schwanenstraße flüchtete, setzte der Angeklagte ihm nach. Während der Mann hinter einer Theke Schutz suchte, versuchte der Angeklagte weiter, auf ihn einzustechen. Erst als drei Jugendliche eingriffen und den 34-Jährigen überwältigten, beruhigte sich die Situation.
Das Motiv des Angeklagten blieb bis zuletzt unklar: In seiner Heimat wuchs er in bürgerkriegsähnlichen Zuständen auf, soll als 17-Jähriger gefoltert worden sein. Trotzdem studierte er Physik in Istanbul, erhielt ein Stipendium der Uni Siegen, arbeitete im Schweizer Cern-Institut und als Diplom-Physiker an der Bergischen Universität.
Erst die misslungene Integration in einen kurdischen Verein — die Mitglieder sollen ihn für einen türkischen Spion gehalten haben — in Wuppertal warf ihn aus der Bahn. Monatelange Depressionen und „Heul-Attacken“ sollen die Folge gewesen sein.
Auch das spätere Opfer war Mitglied in diesem Moschee-Verein. Bis zuletzt sagte der Angeklagte aus, er habe ausschließlich in Notwehr gehandelt (siehe Kasten). Sein Verteidiger forderte einen Freispruch. Das Gericht folgte diesem Antrag nicht. Es verurteilte den 34-jährigen Deutsch-Kurden am Donnerstag zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren ohne Bewährung. Er bleibt in Haft. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Nebenklägeranwalt Michael Kaps hat bereits Revision eingelegt.