Von der Liebe zu alten Karten und dem Geruch nach Papier
Seit über 40 Jahren betreibt Hanns-Gert Braun sein Antiquariat.
Unterbarmen. Der Geruch von altem Papier kitzelt in der Nase, legt sich auf die Zunge, macht den Mund ganz trocken. Hanns-Gert Braun muss es fühlen, dieses Papier, greift zu einem Blatt und hält es gegen das Licht. Leichte Rillen sind zu erkennen, an den Rändern ist es gelb angelaufen. „Büttenpapier“, sagt Braun. Er lächelt. Die Lesebrille hängt auf seiner Brust. Behutsam legt er das Papier zu den anderen auf den Tisch — alle bedruckt mit eckigen Noten in Rot und Schwarz, Werke aus dem 16. Jahrhundert.
Hanns-Gert Braun liebt alte Bücher, mittelalterliche Handschriften und Landkarten. Seit 40 Jahren ist er Antiquar und betreibt sein Kunsthaus und Antiquariat auf 200 Quadratmetern an der Unionstraße. Das Kunstsegment ist sein Schwerpunkt. Etliche Werke von Chagall und Picasso sind durch seine Hände gegangen. Er hat sie auf Echtheit geprüft, an Kunsthändler oder Sammler weiterverkauft. Dabei hat der gebürtige Wuppertaler eigentlich Maschinenbau studiert.
Braun war gerade Anfang 20: Für 10 Mark kaufte er einen Apothekermörser. Ein altes, schweres Teil aus Bronze. 100 Mark brachte ihm der Weiterverkauf. „Mit dem Verkauf von Antiquitäten kann man Geld verdienen“, stellte er damals fest. Der Wuppertaler war schnell erfolgreich, meldete nach Ende des Studiums sein Gewerbe an. „Ich habe mich schon immer gerne mit alten Dingen beschäftigt. Ich sehe noch immer jeden Tag Dinge, die ich noch nie zuvor gesehen habe.“
So wie den Kupferstich, den er aus dem Nachlass eines Sammlers übernommen hat: „Statt Aach“ steht darauf. Wer die Stadt Aachen ein wenig kennt, erkennt Dom, Stadtmauer und das Ponttor. Auf etwa 1700 schätzt der Fachmann das Entstehungsjahr. Jetzt beginnt die Recherche: Wer ist der Künstler? Was ist die Geschichte des Bildes?
Bei seiner Recherche hilft dem 64-Jährigen das Internet. Selbst der Handel laufe zu großen Teilen online. Viele seiner Schriften und Bücher verkauft der Antiquar auch auf Kunstmessen. Leidenschaftliche Sammler gebe es immer weniger. Antiquariate müssten deshalb neue Wege gehen, um überleben zu können. Er verkauft deshalb auch Werke von zeitgenössischen Künstlern.
In dem lichtdurchfluteten Atelier hat das Alte die Überhand. Die Sonne macht winzige Papierfasern in der Luft sichtbar. Hinter Globus, alten Stühlen, und Kisten voller Landkarten und Schriften stehen zwei wuchtige alte Schränke. Massive Eiche. Und dennoch biegen sich die Regalböden unter der Last der Bücher, allesamt mit dickem Ledereinband geschützt. Die goldene Farbe der Prägeschriften ist abgeblättert. An machem Buch hat sich der Holzwurm sattgefressen.
Auch Brauns Leidenschaft gilt dem Alten. Insbesondere Landkarten wie zum Beispiel der mittelalterlichen Schedelschen Weltchronik. 100.000 Euro wollte ein Händler auf einer Kunstmesse für ein komplettes Band aus dem Jahr 1493 haben. Braun selbst besitzt eine Seite aus der Chronik: Eine Ansicht und Beschreibung der Stadt Basel. Braun sieht mehr als einfach nur das Bild. Er sieht die Geschichte dahinter. Maler Albrecht Dürer war Lehrling der Holzschnitttechnik und hat an diesem Werk mitgearbeitet.