Von der Sehnsucht nach Vollendung
Markus Lüpertz stellt erstmals im Skulpturenpark Waldfrieden von Tony Cragg aus — ein Gespräch mit dem Malerfürsten.
Sie kennen sich seit vielen Jahren, haben zusammen gearbeitet, sind gut befreundet und beide Künstler von internationalem Rang. Vor ein paar Jahren hat Markus Lüpertz immerhin schon mal eine imposante Figur, die mehr als vier Meter hohe „Paris sans bras“ im Skulpturenpark von Tony Cragg aufgestellt. Auch hat der Malerfürst natürlich schon öfter den wunderschönen Waldfrieden-Park besucht. Eine Ausstellung gab es aber bislang nicht. Das wird nun nachgeholt — am Freitag, 17 Uhr, ist feierliche Eröffnung. Anlass für ein Gespräch mit dem gerade 77 Jahre alt gewordenen „bad Boy“ unter den Künstlern — über das Genie Lüpertz, über Malerskulpteure und über eine Stadt, die mal hübsch war.
Warum erst jetzt die Ausstellung im Skulpturenpark?
Lüpertz: Es war immer klar, dass ich hier ausstelle. Der Skulpturenpark ist einmalig, die Ausstellungsräume sind ideal. Wir haben ja Zeit. Ich sehe mit großem Vergnügen, was Tony hier ausstellt. Hier hat sich ein gewisses Niveau entwickelt. Und um dem zu entsprechen, konnten gar nicht genug Ausstellungen vorher sein.
Was verbinden Sie mit Wuppertal?
Lüpertz: Als Kind war Wuppertal interessant wegen des Zoos und der Schwebebahn. Wuppertal galt als schöne Stadt mit wunderschönen Villen, was auch stimmt. Aber jetzt finde ich, ist es im Stadtkern etwas wild geworden. Wie in vielen Städten im Rheinland. Ich habe immer das Gefühl, die Planer wollen vor allem Durchgangsverkehr durch die Städte leiten. Ich habe selten eine so hübsche Stadt, die ich in Erinnerung hatte, so entstellt wiedergefunden.
Sie bezeichnen sich als Malerskulpteur. Was bedeutet das?
Lüpertz: Ich bin ein Malerskulpteur, und das ist vielleicht das einzige, was Tony Cragg und mich unterscheidet. Das heißt, ich komme von der Malerei, male Horizonte und fing eines Tages an, diese Horizonte mit Figuren und Gnomen, Gespenstern und Geistern zu besetzen. Die Malerskulptur ist eine der interessantesten und wenig beachteten Phänomene. Maler haben eine ganz andere Sicht. Sie gehen immer von der Fläche aus. Wie bei einem Diamanten, den man schleifen kann — egal wie viele Facetten man ihm gibt, es bleiben Flächen. Und so sollte man meine Skulpturen auch sehen, die immer Überraschungen, eine organische Logik haben. Das ist ganz spannend und aufregend. Deshalb stelle ich mich gerne in Konkurrenz zur Skulptur. Ich fühle mich hier recht wohl, weil hier neben Tonys auch andere hervorragende Skulpturen stehen.
Sie sagen selbst von sich, dass Sie ein Genie sind. Was meinen Sie damit?
Lüpertz: Es ist ein tiefer Glaube, den ich an mich habe. Ich glaube, dass jeder Künstler so denkt. Es ist natürlich Blödsinn, wenn einer sagt, ,ich bin ein Genie’. Wenn ich so was sage, dann meine ich den Anspruch an mich selbst. Ich habe nur diese eine Zeit, in der ich arbeiten kann. Ich muss das Höchste anstreben. Ob ich es schaffe oder nicht, wird 100 Jahre später entschieden. Der Anspruch, den ich an mich habe, nimmt keine Rücksicht, sondern ist in der Kunst zu suchen. Auf diesen Anspruch habe ich mich eingelassen. Es geht um die Einstellung zur Sehnsucht nach Vollendung. Wenn man nicht die Voraussetzung hat, genial zu sein, dann braucht man erst gar nicht anzufangen. In der Bildhauerei hat man eine ganz bestimmte Fertigkeit, und die hängt vom Talent ab. Da kommt jeder an seine individuellen Grenzen. Es braucht Genie um weiter zu kommen. Jeder braucht das. Wenn Tony kein Genie wäre, hätte er das hier nie geschafft. Er ist nur höflicher Engländer und sagt das nicht. Ich formuliere halt eher provokant, aber das sei mir als Künstler, als Bohème, verziehen.
Markus Lüpertz
Sie sind ein vielseitig begabter Künstler, der nicht nur in der bildenden Kunst zuhause ist.
Lüpertz: Ich sage heute nicht mehr, dass ich Künstler bin, sondern Maler. Malerei ist die Königsdisziplin der bildenden Kunst. Es gibt nichts Schwierigeres als Bilder. Was heute alles Kunst ist: Wenn Sie zwei Lastwagen aneinanderketten und hochstellen, ist das Kunst. Das ist großartig, aber es ist keine Malerei, keine Bildhauerei. Ich liebe die künstlerische Atmosphäre. Und da ich mich auch für Poesie und Musik interessiere, will ich auch dort meine Vorstellung artikulieren.
Wo ordnen Sie sich in der zeitgenössischen, deutschen Künstlerprominenz ein?
Lüpertz: International kennen die Leute immer nur Kiefer, Richter, Baselitz und Polke. Ich gehöre dazu, nur dass ich immer der bad Boy bin. Ich habe ich mich immer geweigert, einen Stil zu entwickeln. Ich habe eine Handschrift, bin dadurch unverkennbar. Ich bin ein abstrakter Bildhauer, lasse mich nicht an einem Stil festmachen. Ich glaube ans Bild, fange als Dilettant an und hoffe als Meister zu enden. Und das hat jedes Werk verdient, dass das passiert. Wenn nicht, ist es nur Produkt.
Welche Rolle spielt das Geld für die/in der Kunst?
Lüpertz: Der Kunstmarkt interessiert mich nicht. Das ist Thema meines Galeristen. Wo Geld ist, ist Kunst. Wo kein Geld ist, hat es nie Kunst gegeben. Wir sind abhängig vom Kapital, können nur hoffen, dass es liberales Kapital ist. Wir leben vom Überfluss, nicht von der Armut, nicht vom Krieg. Sie dürfen sich natürlich nicht davon beeinflussen lassen, sondern als Künstler ihre Freiheit riskieren.
Wie gehen Sie mit Kritik um?
Lüpertz: Wir brauchen Kritik, wohlmeinende Kritik, die sich daran orientiert, was man leisten könnte. Gute Kritik bemisst sich nicht daran, ob man etwas verkaufen kann oder nicht.
Nach den aktuellen Beschädigungen im Skulpturenpark: Was sagen Sie zu Kunst-Vandalismus?
Lüpertz: Das ist unverschämt. Ich habe ja meine Erfahrungen damit. Das zeigt eigentlich, dass heute Gleichgültigkeit gegenüber ästhetischen Verletzungen herrsch. Wir sind an Graffiti gewohnt und an den Mist, der jeden öffentlichen Raum zerstört. Die Leute verblöden einfach kulturell und verrohen. Mit schmutziger Farbe auf eine polierte Oberfläche zu gehen, das ist Verrat an der Kultur.
Wie lange arbeiten Sie?
Lüpertz: Ich arbeite immer, habe kein Familienleben, stehe auch in den Ferien tagsüber im Atelier. Das ist der Fluch meines Getriebenseins. Das verlangt Disziplin. Den 18 Meter hohen Herkules modelliere ich selbst. Die Leute reichen mir den Gips, aber ich mache es selbst. Ich muss alles selbst machen. Ich ertrage es nicht, wenn ein anderer an meinen Arbeiten etwas macht. Ich male an zehn, zwölf Bildern gleichzeitig, fertige ähnlich viele Skulpturen gleichzeitig.