Mettmann Wo sich die Kunst frei entfalten kann
Mettmann. · In Dresden geboren und aufgewachsen, weiß Susann Bürger ihr Dasein als unabhängige Künstlerin besonders zu wertschätzen. Ihre Arbeiten erzählen davon.
Erlebnisse in der Jugend prägen jeden Menschen. Nicht jeder hat solche Besonderheiten erfahren wie Susann Bürger, die als frei schaffende Künstlerin in Metzkausen nunmehr ihr Leben leben kann. Geboren in der DDR, in Dresden, verbrachte sie ihre Jugend bürgerlich und unauffällig, nur die Sehnsucht nach der Kunst unterschied sie vielleicht von anderen. Aber an solch Extraordinäres war dort nicht zu denken. Kunst, die nicht indoktriniert war – nein das durfte nicht sein.
Still und ohne Großes zu ahnen verbrachte die Familie 1988 einen Urlaub am Plattensee mit ihrem Onkel aus Bayern. Was dort besprochen wurde, wussten Susann und ihre Schwester nicht: ein ausgeklügelter Plan für eine Flucht in den Westen. Und der wurde bald darauf in die Tat umgesetzt. Die Mutter fuhr zu einem Familienfest nach Bayern. Das war erlaubt, denn Kinder und Ehemann blieben ja als Pfand zurück. Dass sie dort „schwer erkrankte“ war Teil des Plans und so durfte nach gehörigem Hin und Her der Ehemann nach Bayern reisen, um seine „todkranke“ Frau zu besuchen. Zurück blieben zwei junge Mädchen mit 15 und 16 Jahren, die gewohnt waren, zu gehorchen.
„Man konnte nicht richtig am Telefon sprechen. Alles wurde überwacht. Auch vor Freundinnen mussten wir arglos tun. Niemand wusste, ob etwas weitergegeben wurde“, erinnert sie sich. „Wir lebten eineinhalb Jahre alleine in Dresden, bis es mit Hilfe bester Beziehungen unseres Onkels zur Politik gelang, uns im Zuge der Familienzusammenführung auch in den Westen zu holen.“ Franz- Josef Strauß und der damalige DDR-Anwalt Wolfgang Vogel war maßgeblich daran beteiligt.
Nach dem Umzug musste die Kunst erst einmal warten
Kunst war trotz errungener Freiheit in weite Ferne gerückt. Es galt einen Beruf zu erlernen. Susann machte eine Ausbildung als Dekorateurin. Aber es war nicht das richtige, sie zog es vor, in die Behindertenarbeit einzusteigen, kreatives Schaffen in einer kunstgewerblichen Einrichtung für Behinderte in der Nähe von Dachau.
Dort lernte sie ihren Ehemann kennen, es folgte der Umzug nach Düsseldorf. Und die Kunst rückte noch ein wenig näher, denn sie konnte eine sozialpädagogische Ausbildung bei einem Antroposophen in Wuppertal machen und dann in der Arbeit mit Behinderten ihren Drang nach Kunst weiter verfolgen.
Nun, nachdem die beiden Kinder groß genug waren, studiert Susann Bürger seit 2017 in der „Freien Akademie der bildenden Künste“ in Essen. Ihr Zuhause an der Hasseler Straße ist geschmückt mit ihren Werken: ob flächige Malerei auf ganz unterschiedlichem Grund, ob figürliche Darstellungen, ausdrucksstarke Gesichter, meistens nur eine Hälfte, Installationen, Tonarbeiten, Buchillustrationen mit moderner Lyrik und, und und. Ihr Atelier ist eine Fundgrube.
Sie kann alles gebrauchen, macht aus allem etwas. So wie etwa eine Vase aus der Verpackung von Pralinen. Sie ist ständig auf der Suche, aber nicht zielgerichtet. Ihr wohnt eine Unrast inne, die sie nicht ruhen lässt, die sie experimentieren lässt und in ihrer Kreativität antreibt. „Dabei,“ sagt sie, „bin ich ein eher zurückhaltender, angepasster Mensch und habe eigentlich immer das getan, was man von mir erwartet hatte. Aber ich will mich nicht verbiegen, will keine neuen Mauern errichten, mag keine Zwänge.“ Die hatte sie in der DDR zur Genüge.
Hier darf sie frei sein, der Unterstützung ihrer Familie ist sie sicher. Das alte Haus aus den 1920er Jahren, in dem sie wohnt und das sie mit ihrem Mann Stück für Stück umgestaltet hat, selbst Hand angelegt, Mauern eingerissen, neue hochgezogen – auch hier waren ihrem künstlerischen Schaffen kaum Grenzen gesetzt. „Corona hat mich angespornt, zusammen mit Dagmar Grotendorst. Wir haben überlegt, Pläne entworfen, andere Künstler angesprochen: Und herausgekommen ist der wunderbare Sonntag mit den tollen Aktionen auf dem Kunstweg.“