Fachkräftemangel Warum der Pflegeberuf so schlecht dasteht

Was Anbieter und Agentur für Arbeit tun, um Kräfte zu gewinnen.

Grafik-Diagramm Nr. 30934, Hochformat 90 x 110 mm, Pfegebedürftige und Pflegepersonal seit 2007, ambulant und stationär, Redaktion: J. Schneider, Grafik: B. Quiakowski

Foto: dpa-infografik/dpa-infografik GmbH

Jeder zweite Pflegedienst kann offene Stellen nicht besetzen, das geht aus einer bundesweiten Befragung des Zentrums für Qualität in der Pflege (ZQP) hervor. Das gilt auch in Wuppertal. Das Problem betrifft nicht nur die ambulante Pflege, sondern auch die stationäre – private Anbieter wie kirchliche und städtische. Es fehlen Fachkräfte, und das öffentliche Bild des Pflegeberufs tut sein Übriges.

In Wuppertal gibt es etwa 3500 stationäre Pflegeplätze, etwa 700 davon bietet die Stadt an. Dazu kommen rund 3000 ambulant betreute Patienten. Sie sind auf die Pflegekräfte angewiesen, darauf, dass genug Menschen da sind, um sie angemessen zu versorgen.

Aber in Wuppertal sind 254 Stellen in der Pflege nicht besetzt. Das hat einerseits strukturelle Gründe. Nach der Pflegereform 2017 haben mehr Menschen Anspruch auf Pflege in verschiedenen Ausprägungen und Pflegegraden. Andererseits werden immer mehr Menschen älter. Der Bedarf steigt also.

Der Beruf ist nicht nur sicher, sondern an sich auch schön: Regina Wallau von der Agentur für Arbeit sagt, dass es viel um Nähe zum Menschen gehe, um Empathie. Dazu sei der Beruf recht gut bezahlt. Azubis in der Pflege verdienten viel mehr (1140 bis 1300 Euro brutto) als andere Auszubildende in beliebteren Berufen wie Friseur (325 bis 760 Euro) oder Verkäufer (705 bis 955 Euro). Dazu kämen auch Zulagen für Nacht- oder Wochenenddienste, die jedenfalls den Verdienst attraktiver machen.

Bei den Arbeitszeiten zeige sich aber auch der Personalmangel. In der Pflege, zumindest stationär, müssen die Menschen 24 Stunden versorgt werden. Wenn weniger Menschen arbeiten, wird diese Belastung auf weniger Schultern verteilt. Das geht zu Lasten der Mitarbeiter, der zu Pflegenden, des Images des Berufs.

Dazu ist die Pflege eine Leistung der Pflegekassen. Und die ist gedeckelt. Gea Kirchner, zuständig für den Personaleinsatz bei den städtischen Pflege- und Altenheimen, erklärt, dass das Pflegesystem eben ein „Refinanzierungssytem“ sei. Die Ausgaben für Leistungen und Personal werden durch Vorgaben der Pflegekassen und des Gesetzgebers gedeckelt.

Wenn Fachkräfte fehlen,
wird die Zeit knapper

Christine Vieweg, Geschäftsführerin der Diakonischen Altenpflege Wuppertal, gibt ein Beispiel aus der ambulanten Pflege: „Wenn es für die Morgenpflege etwa 30 Euro gibt, eine Fachkraft aber 40 bis 45 Euro pro Stunde kostet, muss man auf die Zeit gucken“.

Wenn Fachkräfte fehlen, wird die Zeit noch knapper – wenn einzelne mehr Arbeit übernehmen müssen, Verkehrsprobleme hinzukommen, die Gepflegten nicht so gut mitmachen können, wie vorgesehen. Die ambulante Pflege sei stressiger geworden, sagen Menschen aus dem Bereich. Auch weil man auf sich gestellt sei und nicht im Team arbeite.

Das Problem verstärkt sich selbst: Der Job hat Schattenseiten, die umso größer werden, je mehr Fachkräfte fehlen. Nicht nur ambulante Pflegedienste haben Probleme, vakante Stellen zu besetzen, auch die Stadt und die Diakonie kennen das Problem. Gea Kirchner sagt, man könne sich als Arbeitgeber die Bewerber nicht mehr aussuchen. „Wir können die offenen Stellen nur mühsam besetzen“. Auch Lucian Stein, zuständig für Personalmarketing und Recruiting bei der Diakonischen Altenhilfe Wuppertal, berichtet, es wäre gelogen, wenn er sagen würde, die Diakonie könne offene Stellen sofort besetzen. Das könne keiner.

Was kann man tun? Die Stadt setzt auf Ausbildung. Dann kennen die Mitarbeiter den Betrieb, wissen, was sie an ihm haben. Auch die Diakonie macht das so – an der eigenen Akademie. So würden Mitarbeiter früh an den Träger gebunden. Dazu biete man die Möglichkeit niedrigschwelliger Bewerbungen – einfach Kontaktdaten schicken statt einer förmlichen Bewerbung und erstmal ein Praktikum machen. Pflegehilfskräfte werden auch als Quereinsteiger aufgenommen. Kontakt sucht die Diakonie etwa über Soziale Medien. Lucian Stein sagt, man dürfe nicht resignieren. Pflegeberufe seien sichere Berufe. Und sie sind zumindest bei Kommunen und kirchlichen Trägern an Tarifverträge gebunden.

Die Agentur für Arbeit informiert zu den Pflegeberufen online, etwa mit Videos. Dazu gibt es etwa eine Pflegebörse im Berufsinformationszentrum, bei der sich Anbieter vorstellen können, und es gibt regelmäßige Infoabende für Erwachsene, die als Quereinsteiger in die Pflege gehen möchten.