Analyse Warum der Prozess im Fall Springmann so lange dauert
Wuppertal · Im Springmann-Prozess haben schon 38 Tage stattgefunden - das Verfahren gehört aber noch nicht zu den längsten.
Sieben Monate oder 38 Tage dauert der Springmann-Prozess jetzt. Das Verfahren gehört durchaus zu den längeren, doch aus der jüngsten Vergangenheit sind noch wesentlich längere Verfahren bekannt – der NSU-Prozess, der Loveparade-Prozess und das Verfahren um die Ermordung von Hanaa S. in Solingen.
Die Länge eines Prozesses hängt von vielen Faktoren ab: Ob der Angeklagte geständig ist, wie eindeutig die Beweise sind, um wie viele Taten es geht, wie viele Angeklagte es gibt. So kann ein kleines Strafverfahren um eine Tat eines geständigen Ladendiebs in einer halben Stunde abgeschlossen sein.
„Lang dauern typischerweise Prozesse um Bandenkriminalität“, erläutert Arnim Kolat, Sprecher des Landgerichts. „Dann gibt es viele Angeklagte, möglicherweise mit unterschiedlicher Beteiligung an den Taten.“ So ist es oft bei mutmaßlichen Einbrecherbanden, aber auch bei größeren Prozessen um Drogenhandel. Oft müssen zahlreiche Zeugen und eventuell Sachverständige gehört werden.
Mehr Zeitaufwand für Dolmetscher, mehr Zeugen, Gutachten
Zu mehr Zeitaufwand führt auch, wenn Angeklagte nicht ausreichend Deutsch können und jede Äußerung im Prozess durch Dolmetscher übersetzt werden muss – fremdsprachliche Äußerungen ins Deutsche und alle deutschen Äußerungen in die Sprache der Angeklagten. Denn für einen fairen Prozess müssen diese alles verstehen.
Im Einsatz für einen fairen Prozess für ihre Mandanten können Verteidiger ebenfalls eine Verlängerung des Prozesses bewirken: Wenn sie beantragen, weitere Zeugen zu vernehmen, zusätzliche Gutachten einzuholen, weitere Beweise zu prüfen. Und sie können so genannte Befangenheitsanträge stellen – wenn sie beziehungsweise ihre Mandanten den Eindruck haben, dass ein Richter oder eine ganze Kammer nicht neutral und objektiv ist. Dann müssen andere Richter diesen Antrag prüfen. Geben sie den Antragstellern Recht, kann das dazu führen, dass der Prozess von vorn beginnt. Es gibt die Kritik, dass Verteidiger dieses Instrument auch missbräuchlich anwenden. Grundsätzlich gehört es aber zu den Mitteln, ein faires Verfahren zu garantieren.
Kosten tragen die Verurteilten
Häufig werden Kosten für Verfahren genannt. Vor wenigen Tagen hat zum Beispiel das Münchener Oberlandesgericht bekannt gegeben, dass der NSU-Prozess 37 Millionen Euro gekostet hat - „Gerechtigkeit hat ihren Preis“, hatte der Präsident des Gerichts dazu gesagt. Die Kosten sind ebenfalls von vielen Faktoren abhängig wie der Zahl der Angeklagten, der Pflichtverteidiger, der Nebenklagevertreter, der Zahl der Zeugen, ob sie Fahrtkosten geltend machen, wie weit sie angereist sind, wie viele Sachverständige beauftragt werden, welchen technischen Aufwand das Gericht betrieben hat für Mikrofonanlagen oder Dolmetscherkabinen. Und wie lange der Prozess dauert. Die Kosten müssen prinzipielle die Verurteilten tragen - aber häufig bleibt ein großer Teil am Staat hängen.
Die Kosten des Springmann-Prozesses können aktuell nicht seriös festgestellt werden, sagt Landgerichtssprecher Arnim Kolat. Er macht aber die Rechnung auf, dass die beteiligten Richter, Schöffen und Anwälte bisher etwa ein Drittel aller Arbeitstage des Jahres 2018 mit dem Springmann-Prozess beschäftigt waren.
Der Prozess hat zudem die Besonderheit, dass der Vorsitzende Richter Robert Bertling im November in Pension geht. Eine Dienstverlängerung ist nicht möglich. Sollte der Prozess länger dauern, muss er die Kammer verlassen. Es ist aber vorgesorgt, da ein Ersatzrichter den Prozess von Anfang an begleitet. So ist sichergestellt, dass auch nach dem Ausscheiden von Bertling die Angeklagten von Richtern beurteilt werden, die den gesamten Prozess erlebt haben. Wegen möglicher Ausfälle während des langen Prozesses gibt es auch zwei Ersatzschöffen. Diese Vorsorge macht den Prozess teurer - es kostet aber weniger, als wenn der Prozess von vorn beginnen müsste.