Was glauben Sie denn? Schöner Scheitern

Wieder mal wie alle Jahre hat das Christkind in diesem Jahr auch in Wuppertal wieder ganze Arbeit geleistet. Die ganzen Wunschzettel abzuarbeiten, die von Jahr zu Jahr länger und länger werden, fällt nicht immer leicht – so jedenfalls ist es einem Antwortschreiben des Christkindes auf die im Rathaus gefundene Wunschliste zu entnehmen, das sich in der Nähe der Graffiti-Krippe fand.

Dr. Werner Kleine - Freisteller

Foto: Christoph Schönbach

Das Dokument liegt der Katholischen Citykirche Wuppertal im Original vor, war aber offenkundig an die Redaktion der WZ gerichtet. Ehrensache, dass wir das sofort weiterleiten. Was glauben Sie denn?

„Lieber gebeutelter Wuppertaler – ich nenne Dich einfach einmal ‚L.‘,

Du wohnst ja in einer Stadt, die sich nicht schminkt. Schon mein himmlischer Nachbar Heinrich Böll wusste, dass das wie bei Frauen, die es sich leisten können, wohltuend und enttäuschend zugleich ist. Gerade deshalb aber wirst Du die ungeschminkte Wahrheit vertragen: Ich versuche zwar immer wieder, Wünsche Wirklichkeit werden zu lassen. Unmögliches aber kann ich leider nicht vollbringen. Wunder kann nur mein Chef selbst vollbringen – und das auch nur, wenn es den nötigen Glauben gibt, der allein helfen kann.

Hättest Du ein Puppenhaus gewollt, ich hätte mir mir reden lassen. Aber gleich ein Fahrradhaus? Jörg Heynkes würde sich über wohl eher über selbstfahrende Fahrräder, die man per App ordern kann, freuen. Die müssten dann aber effizienzbedingt permanent unterwegs sein, weshalb man gar kein Fahrradhaus braucht. Dem ‚Alte vom Arrenberg‘, wie wir ihn hier oben in den himmlischen Gefilden nennen, wird ja selbst in manchen Kirchenkreisen geglaubt, er sei Zukunftsforscher. Dass auch E-Autos nicht klimaneutral sind, allein die Produktion der Batterien Kohlendioxid in Massen produziert und die dafür benötigten seltenen Erden nur auf Kosten kongolesischer Kinderarbeiter aus den Minen geschürft werden können – sei’s drum. In der schönen digitalen Welt ist zwischen den Einsen und Nullen nicht viel Raum für Differenzierungen.

Ach – und Uwe Clees. Wir hatten hier oben schon ganz edlen Rotwein für ihn ausgesucht. Aber irgendjemand meinte, das wäre doch wohl etwas missverständlich und hat ein großes weißes Haus aus dem Hut gezaubert. Das ist jetzt so wie mit vielen missglückten Geschenken. Man schaut es sich von allen Seiten an, fragt sich, was und wozu das ist, fummelt ein wenig daran herum und legt es beiseite. Für die Müllabfuhr ist es zu groß. Jetzt steht es halt rum. Klassisches Geschenkbringerschicksal.

Mein Chef, der Heilige Geist, hat übrigens mehrfach versucht, im Rathaus zu landen. Er dachte immer, bei ihm wäre nichts unmöglich. Die Jungfrau Maria hat er damit überzeugen können. Aber die Herren im Rathaus sind eben keine Jungfrauen und weit komplizierter als Zimmermänner aus Nazareth. Wir erscheinen ihnen wie Josef im Traum. Hilft nichts, kann ich Dir sagen. Jede Vision wird im Keim erstickt. Aber die Sache mit den Bachblüten haben wir notiert … vielleicht ist in der Buga ein Eckchen für einen Kräutergarten frei.

Und dann der Fußball … Die Ewigkeit hier oben hat ja viele Vorteile: Wir sehen, was geschieht und was hätte geschehen können. Der Aufstieg vom WSV und die Meisterschaft für Mönchengladbach – die gibt es tatsächlich … leider in dem Paralleluniversum, in dem die Steinzeitmenschen die Entdeckung des Feuers ignoriert haben, weil das Kohlendioxid produziert und nicht umweltverträglich ist. Das hat sich nicht wirklich als zukunftsträchtig erwiesen.

Lieber L., beherzige doch Psalm 30,2, damit das Klagen in Tanzen verwandelt wird. Du kennst doch sicher den Film ‚Alexis Sorbas‘. Da wird auch eine Seilbahn gebaut. Als die zusammenbricht, spricht Sorbas zu seinem Chef: ‚Hey Boss, hast Du jemals erlebt, dass etwas so bildschön zusammenkracht?‘ – und dann tanzen beide wie verrückt den Sirtaki. Schöner Scheitern, toller tanzen. Das meint auch meine andere Nachbarin hier oben, die Pina: ‚Tanzt, sonst sind wir verloren!‘. Wir machen das hier schon so. Jedesmal, wenn bei euch einer jammert, fängt hier oben ein Engel an zu tanzen. Tanz doch mit, lieber L., dann wird selbst die Enttäuschung aufregend. Ich wünsche Dir und den Menschen im Tal ein aufregendes neues Jahr, Dein Christkind.“