Was verkaufsoffene Sonntage dem Einzelhandel nutzen
Mehr vom gleichen hilft nicht unbedingt. Aber Ladenöffnungszeiten können den Umsatz positiv beeinflussen.
Wuppertal streitet um einen verkaufsoffenen Sonntag — wieder einmal. Jetzt geht es um den 3. Dezember, den 1. Advent. Der Elberfelder Einzelhandel will an diesem Tag seine Geschäfte öffnen. Das geht nicht ohne Anlass. Und der vom Handel angegebene Weihnachtsmarkt ist nicht Anlass genug. Nun debattieren Stadt, Unternehmer und Gewerkschafter, welche Entscheidung allen gerecht wird. Während sich der Stadtrat am Montag vermutlich noch nicht über den 3. Dezember abstimmt, lohnt sich ein grundsätzlicher Blick auf die Frage, was längere Ladenöffnungszeiten nutzen.
Für Angelika Finkernagel von der Galeria Kaufhof am Neumarkt ist die Antwort klar. Sie rechnet mit Umsatz, den ihre Filiale sonst nicht machen könnte. Für die Vergangenheit gäben Zählungen belastbare Hinweise darauf, dass der Weihnachtsmarkt in Elberfeld bis zu 60 000 Besucher in die Innenstadt gelockt habe. Viele von ihnen hätten dann auch in den Geschäften eingekauft. Umsatzzahlen nennt Finkernagel nicht. Das sei beim Kaufhof nicht üblich.
Ganz offensichtlich ist die Umsatzerwartung im Handel aber nicht gleichmäßig ausgeprägt. Wo auch immer der Stadtrat Sonderöffnung an Sonntagen erlaubt, beteiligen sich nie alle Geschäftsinhaber daran. Mithin scheint es sich auch nicht für alle zu lohnen.
Das hat gute Gründe. Wenn das Geschäft geöffnet ist, braucht es Personal. Arbeit kostet Geld, erst recht an Sonntagen, wenn womöglich Lohnzuschläge anfallen. Im größeren Einzelhandel scheint das kein Problem zu sein. Deshalb sind Geschäfte wie der Kaufhof, aber auch Zentren wie die City-Arkaden an verkaufsoffenen Sonntagen interessiert.
Eine Studie im Auftrag des bayerischen Einzelhandelsverbandes zeigt, warum. Die Untersuchung hat ergeben, dass ungewöhnliche Öffnungszeiten einen Reiz auf Menschen ausüben. Aber einfach nur die Ladentüren aufzuschließen reicht demnach nicht. Die Studie ergab, dass die Sonntagsöffnung vor „langen Nächten“, Wochenmärkten, Gutscheinsystemen und Weihnachtsmärkten die meisten Kunden anlocken, doch dann muss auch etwas Besonderes geboten sein. Und sei es nur, dass es ein Programm für Kinder gibt, damit ganze Familien den Einkaufsbummel am siebten Tag der Woche genießen können. Weihnachtsmärkte etwa sind dafür geeignet, wenn sie Qualität haben.
Der siebte Tag der Woche ist seit 2000 Jahren eigentlich ein Ruhetag. Dazu hat Kaiser Konstantin ihn seinerzeit erklärt. In der Weimarer Verfassung wird er als Tag der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung geschützt. Die Realität ist allerdings schon immer eine andere gewesen. Und die Entwicklung legt stetig an Tempo zu.
Seit den 1990er Jahren ist die Zahl der Menschen gestiegen, die sonntags zur Arbeit geht. Der Europäischen Stiftung zur Untersuchung von Lebens- und Arbeitsbedingungen zufolge stieg der Wert von 7,5 Millionen im Jahr 1995 auf elf Millionen im Jahr 2010. Im Vergleich von 21 EU-Ländern lag Deutschland damit auf Platz 5. Das kann erklären, warum Kirchen und Gewerkschaften zunehmend lauter gegen das Aufweichen des Ladenschlussgesetzes protestieren.
Für den organisierten Einzelhandel ist der verkaufsoffene Sonntag hingegen eine Art Lebensversicherung. Beistand bekommt der Handel für diese Sicht von den nordrhein-westfälischen Industrie- und Handelskammern (IHK). Der mit der Untersuchung beauftragte Düsseldorfer Professor Johannes Dietlein sieht in der Sonntagsöffnung eine Stärkung des Einzelhandels im Wettbewerb mit Online-Plattformen. Allerdings braucht es laut IHK dafür nicht die von der CDU/FDP-Landesregierungen bis zu acht Termine. „Die Händler in NRW erachten vier Sonntage als ausreichend“, heißt es in der Studie vom Sommer dieses Jahres.
Und was sagen die Bürger? Mehr als die Hälfte spricht sich für Sonntagsöffnung aus. Genutzt wird sie allerdings von wenigeren. So besagt eine Erhebung der Gesellschaft für Konsumforschung, dass im Jahr 2013 rund 33,6 aller Deutschen im Alter von mehr als 14 Jahren an mindestens einem Sonntag eingekauft haben, 2014 waren es 32,8 Prozent.