Gesundheit Weniger Wuppertaler Eltern lassen ihre Kinder impfen
Wuppertal · In sechs Jahren sanken die Impfquoten bei Vorschülern teils um mehr als fünf Prozent. Das Gesundheitsamt appelliert an die Impf-Skeptiker.
In Wuppertal lassen weniger Eltern ihre Kinder impfen. Das geht aus Zahlen hervor, die von der Stadt bei den Schuleingangsuntersuchungen erhoben wurden. Bei allen Standard-Impfungen ist die Quote der geimpften Kinder zwischen 2012 und 2018 gesunken. Besonders deutlich ist die Schutzquote gegen Polio gesunken, von 89,7 auf 83 Prozent. Es wird aber auch seltener gegen Diphterie (von 90 auf 85,3 Prozent) und Tetanus (von 90,8 auf 85,9 Prozent) geimpft.
Auch bei Masern, Mumps und Röteln sind die Quoten um jeweils rund drei Prozent gesunken und liegen alle unterhalb von 85 Prozent. Die Folgen sind sichtbar: Die Masern-Erkrankung ist zurück in Wuppertal. In diesem Jahr brach der Virus direkt bei elf Menschen aus. Ein seltener Ausschlag nach oben, 2018 gab es keinen Fall, 2017 lediglich einen. Sieben Erkrankungen gehören zu einem Ausbruch, der das Gesundheitsamt in Atem hielt. Laut Matthias Buntrock-Schweer, Abteilungsleiter Infektions- und Umwelthygiene ist eine noch größere Verbreitung wahrscheinlich nur durch die Arbeit des Amtes verhindert worden. „Wir haben 450 Kontaktpersonen ermittelt und befragt“, berichtet Buntrock-Schweer. Masern sind hochansteckend, so dass es für eine Infektion reichen kann, mit einer erkrankten Person in einem Raum zu sitzen. Kinder unter einem Jahr sind besonders gefährdet, weil sie in der Regel noch nicht geimpft sind.
Das städtische Statistikamt konnte einen Zusammenhang zwischen niedrigen Impfquoten und Migrationshintergrund erkennen: „Mögliche Gründe dafür könnten ein im Herkunftsland fehlendes System der Früherkennung oder eine nicht ausreichende medizinische Versorgung sein.“ Betrachtet man nur die Schüler mit Deutsch als Erstsprache, liegt der gesamtstädtische Durchschnitt der gegen Masern geimpften Kinder bei der Schuleingangsuntersuchung bei 91,2 Prozent. Kinder aus zugezogenen Familien haben nur eine Impfquote von 81,7 Prozent.
„Kinderkrankheiten gehörten früher zur normalen Entwicklung“
Ein weiterer Faktor für sinkende Impfzahlen ist der Vormarsch überzeugter Impfgegner. Sie verbinden Impfen mit Obrigkeitshörigkeit und weisen auf die Risiken hin. Andere sehen eine Masern-Erkrankung sogar in einem romantischen Licht. Wie zum Beispiel Impf-Skeptikerin Iris Drescher. Sie berichtet: „Ich habe mir die Masern mit 16 im Schwimmbad geholt – wie man sieht, habe ich überlebt. Kinderkrankheiten gehörten früher zur normalen kindlichen Entwicklung.“ Sie erforderten selbstverständlich eine gute Begleitung durch die Kinderärzte und liebevolle Pflege zu Hause. „Dann können diese Krankheiten die Entwicklung sogar fördern und lebenslange Immunität hinterlassen“, sagt Drescher.
Matthias Buntrock-Schweer hat für solche Argumentationen kein Verständnis: „Wenn jemand glaubt, dass der natürliche Erwerb einer Krankheit die Persönlichkeit stärkt, kann ich auf dieser Ebene nicht mehr weiter diskutieren.“ Er weist auf die gefährlichen Spätfolgen hin und wie unverantwortlich – aus heutiger Sicht – früher Eltern mit ihren Kindern umgegangen sind. „Da hat man alle zusammen mit einem erkrankten Kind in einen Raum gesetzt und gesagt: Dann haben wir die Masern hinter uns.“ Doch der einzige richtige Weg sei es, die Masern auszurotten. Denn: Aus jeder Masernerkrankung kann später einmal eine Enzephalitis werden, eine meist infektiös bedingte Entzündung des Gehirns. Sie kann tödlich verlaufen oder zu schweren Spätfolgen führen.
Buntrock-Schweer richtet daher einen Appell an alle Wuppertaler: „Jeder Mensch hat in der Impf-Frage eine soziale Verantwortung den Menschen gegenüber, die sich nicht gegen Masern impfen lassen können.“ Das können Säuglinge, Senioren oder kranke Menschen sein, bei denen die Immunisierung zu risikoreich ist. Gerade für sie könne es lebenswichtig sein, in einer flächendeckend geimpften Gesellschaft zu leben. Dabei verschweigt der Abteilungsleiter auch nicht, dass keine Impfung für das Individuum ohne Restrisiko ist.
Der Erfolg von jahrzehntelanger Impfpraxis zeigt sich auch in Wuppertal. In den vergangenen Jahren gab es hier etwa keinen registrierten Fall von Diphtherie mehr. Zum Vergleich: 1881 bis 1886 starben in Preußen jährlich 25 000 Säuglinge an der Krankheit. Die letzten drei Wuppertaler Röteln-Fälle wurden 2017 gemeldet.