Wenn Angst die Katzenseele quält
Die WZ hat Tierpsychologin Gabriele Müller bei ihrer Arbeit mit Vierbeinern begleitet.
Wuppertal. Kater Kasimir schnellt mit einem eleganten Satz am Kratzbaum empor und verschwindet in der kleinen Höhlenbox dort oben. Nur zwei große Augen sind noch zu sehen. Kasimir mag keinen Besuch. Es klingelt an der Tür, Nicole Hecker drückt den Öffner. Kasimir hat einen Termin mit der Katzen-Psychologin Gabriele Müller. Denn irgend etwas stimmt nicht im Leben des Katers, und das bringt Probleme für Mensch und Katze mit sich.
„Dass er sich nicht anfassen lässt, das ist für meinen Mann und mich in Ordnung. Das muss er nicht“, sagt Nicole Hecker. „Aber er markiert“ — er uriniert also in die Wohnung. Die ist jetzt schon in ganzen Teilen für Kasimir tabu. Nicole Hecker weiß nicht weiter: „Wir haben schon so viel ausprobiert. Gesundheitlich ist alles in Ordnung, wir haben ihn beim Tierarzt untersuchen lassen.“ Dort im Wartezimmer sei ihr dann Gabriele Müller empfohlen worden.
Die zwei setzen sich ins Wohnzimmer, und Müller erfragt Kasimirs Geschichte, Details rund um das Markieren, wann es auftrat, was Nicole Hecker bisher unternommen hat. Kasimir stammt aus dem Tierschutz und galt wegen seiner Scheu als schwer zu vermitteln. Jetzt lebt er eigentlich in einem richtigen Katzen-Zuhause. Zusammen mit der Katze Malou. Katzenspielzeug liegt auf dem Boden, Netze sichern Fenster und Balkon der Altbauwohnung unter dem Dach.
Gabriele Müller hört zu, fragt. „Ich vermute eine generalisierte Angststörung“, sagt sie dann. „Wahrscheinlich wurde Kasimir draußen geboren, von einer wilden Mutter. Und hat in der sensiblen Phase Menschen höchstens von weitem gesehen.“ Als Kern seines Verhaltens vermutet sie einen Drang nach draußen.
Weiteres Problem: Kasimir bevorzugt fürs Markieren Elektrogeräte. Nicole Hecker fürchtet, dass er mit einem gezielten Strahl den Computer ausschalten könnte, den ihr Mann zur Arbeit braucht. Und bringt selbst den Gedanken ein, ob es vielleicht einen Platz gäbe, an dem Kasimir besser aufgehoben wäre.
Zunächst entwirft Müller aber eine Strategie, mit deren Hilfe es vielleicht gelingt, Kasimir vom Markieren abzuhalten und von dieser Gewohnheit abzubringen. Wie man ein neues Verhalten formen könnte. Eineinhalb Stunden hat alles gedauert. Nicole Hecker wird es versuchen. Und nach drei, vier Wochen melden, ob es Fortschritte gibt. Malou schlendert lässig Richtung Balkon. Kasimir hat sich unsichtbar gemacht. Bis zu einem Katzen-Leben ohne Angst ist es noch ein weiter Weg.