Wenn das Studium länger dauert
Nur 21 Prozent der Studierenden schaffen das Studium in der Regelzeit. Das Land will strengere Vorgaben, die Uni kritisiert das.
Wer ein Studium aufnimmt, weiß schon vom ersten Blick in die Prüfungsordnung, in welcher Zeit sein Studiengang abzuschließen ist. Dass das modularisierte Studium und der ideale Studienverlaufsplan jedoch häufig mit dem Leben kollidieren, ist sowohl den Studierenden, als auch der Hochschule bewusst. Laut Rektoratsbericht von 2016 absolvieren nur rund 21 Prozent der Studierenden ihr Studium in Regelstudienzeit.
Prof. Martin Ohst über ideale Studienbedingungen
Ein Bachelorstudium kann an deutschen Hochschulen in sechs bis acht Semestern abgeschlossen werden. Je nach Fach, kann anschließend in zwei bis vier Semestern einen Master studiert werden. Nach im Schnitt fünf Jahren ist so theoretisch aus einem Studienanfänger ein erfolgreicher Absolvent geworden. „Ein Studium in Regelstudienzeit abzuschließen“, so Professor Martin Ohst, Professor für Evangelische Theologie an der Bergischen Universität, „erfordert ideale Bedingungen: Wenn der Studierende fleißig und effizient arbeiten kann, keine finanziellen Sorgen hat und im besten Fall neben dem Studium nicht arbeiten muss, dann ist das kein Problem. Das ist aber bei den wenigsten der Fall.“ Wenn bei einem längeren Studium die Grundrichtung stimme, müsse man nur ein bisschen nachjustieren und dann weiter so. Da sei das Beratungsangebot in Wuppertal wirklich gut, sagt Ohst. „Hier hat man ein offenes Ohr für die Studierenden.“
Die vorgesehene Regelstudienzeit kann aus verschiedenen Gründen schnell überschritten werden. So müssen 75 Prozent der Wuppertaler Studierenden neben dem Studium jobben, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen, wie die Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks von 2017 zeigt. Das lässt die Parzelle Studium ebenso kleiner werden, wie die Übernahme sozialer Aufgaben, wie etwa die Pflege von Angehörigen, Kindererziehung, oder der Ausfall durch Krankheit. Häufig sind es mentale Umstände, die das Studium in die Länge ziehen, wie Überforderung mit den Strukturen und Anforderungen des Studiums, Prüfungs- oder Versagensängste, bis hin zu ausgewachsenen Lebenskrisen.
Spätestens dann sollten Studierende sich Hilfe bei der Zentralen Studienberatung (ZSB) suchen. „Unser Ziel ist es, dass Studierende zufrieden und erfolgreich studieren können“, so Christine Hummel, Leiterin der ZSB der Bergischen Universität. Sie wünscht sich, dass Studierende frühzeitig ihren Hilfebedarf erkennen und in die Beratungsstelle kommen. Denn das Beratungs- und Coachingangebot der ZSB sei ausgesprochen breit. Schon von Studienbeginn an biete sie Studierenden Unterstützung bei der Orientierung und Organisation ihres Studiums. In verschiedenen Workshops können Schlüsselqualifikationen erworben werden, die das Studieren erleichtern sollen, von der Erstellung von Hausarbeiten, über das Zeit- und Selbstmanagement, bis hin zu Strategien zur Stressbewältigung und Burnoutprävention. „Das Beratungsnetzwerk innerhalb der Hochschule ist groß“, so Hummel.
In einem geschützten Umfeld, außerhalb des Lehrbetriebs der Hochschule, finden Studierende darüber hinaus bei der psychologischen Beratungsstelle der Universität Unterstützung in schwierigen Studien- und Lebenssituationen. In persönlichen Gesprächen werden hier völlig vertraulich die Wünsche und Bedürfnisse der Ratsuchenden erörtert und gemeinsam nach Lösungen gesucht.
Die kommende Novellierung des Landeshochschulgesetzes soll es Hochschulen in Zukunft ermöglichen, Studierende schon nach Ablauf des dritten Semesters zu Beratungsgesprächen zu verpflichten, sollten die Lernziele bis dahin nicht erreicht worden sein. Daran anschließen könnte sich eine Studienverlaufsvereinbarung zwischen Hochschule und Studierendem, deren Nichteinhaltung Konsequenzen nach sich ziehen würde.
Prof. Andreas Frommer, Prorektor für Studium und Lehre, hält von solch restriktiven Maßnahmen nichts. Die Bergische Universität beabsichtige nicht, eine Zwangsberatung einzuführen, versichert er. „Das Beratungsangebot bei uns in Wuppertal ist schon sehr gut, in Zukunft werden wir einen noch stärkeren Fokus auf die Studienanfänger legen.“ Beratung, so macht er noch einmal klar, setze immer Freiwilligkeit bei den Studierenden voraus und das werde auch so bleiben.