Wuppertaler Gesundheitskolumne Wenn sich hinter Fußschmerzen ein Aneurysma verbirgt
Wuppertal · Der Fall eines Patienten zeigt, wie wichtig eine sichere Diagnosestellung ist.
Als Leitende Oberärztin in der Klinik für Angiologie im Bethesda Krankenhaus setze ich mein medizinisches Wissen täglich für Menschen in lebensbedrohlichen Situationen ein. Besonders bewegt hat mich der Fall eines Patienten, der mit heftigen Fußschmerzen in unsere Klinik kam.
Die Odyssee, die er vor seiner Einweisung durchlebte, war frustrierend und verdeutlichte, wie entscheidend eine präzise und zügige Diagnostik in der Medizin ist. Daher möchte ich heute über seinen Fall berichten, um möglicherweise anderen Menschen ähnliches Leid zu ersparen.
Der Patient litt seit Wochen unter starken Schmerzen am rechten Fuß, die ihm das Gehen nahezu unmöglich machten. Trotz umfangreicher neurologischer und orthopädischer Untersuchungen in anderen medizinischen Einrichtungen konnte keine Ursache gefunden werden. Erst als sich sein Fuß bläulich verfärbte, suchte er erneut seinen Hausarzt auf, der ihn letztendlich zu uns ins Bethesda überwies. Solche Fälle sind nicht selten und veranschaulichen die kritischen Momente zwischen „Warten und Handeln“, die über das Leben eines Menschen entscheiden können.
Die Symptome, die ich bei vielen meiner Patienten sehe, sind vielschichtig und variieren stark. Häufig wissen sie genau, wann der Schmerz einsetzte, und beschreiben ihn als krampfartig oder auch drückend. Oft schwingt eine gewisse Nichtwertschätzung ihrer Beschwerden mit: „Es ist nur Muskelkater“, denken sie sich, ohne zu ahnen, dass sich dahinter möglicherweise ein lebensbedrohliches Aneurysma verbergen könnte.
Bei Wadenbeschwerden wird von Ärzten häufig zunächst eine Thrombose vermutet. Der Schmerz kann sich über das Bein ausbreiten und auch auf einen Bandscheibenvorfall oder fälschlicherweise auf eine harmlose Zyste am Knie hindeuten. Insbesondere bei jüngeren Patienten bleibt die genaue Ursache oft unklar. Eine sichere Diagnose erfordert die Expertise von Gefäßspezialisten.
Nach eingehenden Untersuchungen in unserer Klinik für Angiologie und interventionelle Gefäßmedizin stand für mich und mein Team schnell fest: Der Patient litt unter einem Aneurysma der Arteria poplitea, einer Beinarterie in Höhe des Kniegelenkes. Es ist eines der häufigsten Aneurysmen der Extremitäten. Die Krankheit betrifft häufig Männer über 65 Jahre mit Risikofaktoren wie Rauchen und Bluthochdruck, kann aber auch jüngere Menschen mit Gefäßerkrankungen treffen. Der Patient in unserem Fall hätte beinahe in einer fatalen Fehldiagnose festgehangen, wenn eine differenzierte Analyse nicht schnell genug erfolgt wäre.
Was passiert, wenn ein Aneurysma unentdeckt bleibt? Die Gefahr eines plötzlichen Blutgerinnsels, das den Blutfluss zum Fuß unterbricht, ist nicht nur schmerzhaft, sondern kann auch zu einem Verlust des Unterschenkels führen. Diese potenziell katastrophalen Komplikationen verdeutlichen, wie wichtig die schnelle Identifikation solcher Erkrankungen ist.
Bei einem asymptomatischen Aneurysma kann eine Ultraschalluntersuchung entscheidend sein. Wenn wir die Größe, das Wachstum und andere relevante Merkmale einschätzen können, haben wir die Möglichkeit, präventiv zu handeln und schwerwiegende Folgen zu vermeiden.
Die Therapie eines Aneurysmas kann sowohl operativ als auch minimal-invasiv erfolgen. Die Wahl der Therapie richtet sich nach dem Lebensstil und den individuellen Bedürfnissen des Patienten. Entscheidendes Ziel ist es, eine offene Kommunikation mit den Betroffenen zu führen und sie über ihre Möglichkeiten aufzuklären.
Von unserem Gesundheitswesen wünsche ich mir eine verstärkte Sensibilisierung für das Krankheitsbild Aneurysma. Jede Ultraschalluntersuchung und jeder kritische Blick auf die Symptome kann entscheidend sein und den Betroffenen viele unnötige Leidenswege ersparen.
Die Geschichte meines Patienten ist ein eindrucksvolles Beispiel für die Herausforderungen in der medizinischen Diagnostik sowie für die Verantwortung, die wir als Ärzte für das Wohl unserer Patienten tragen. In einer Zeit, in der die Taktung im Gesundheitswesen leider immer schneller wird, brauchen wir mehr denn je die Zeit und das Verständnis, um die richtigen Fragen und so die richtigen Diagnosen zu stellen.
Dr. Gabriela Marin ist Leitende Oberärztin in der Klinik für Angiologie im Agaplesion Bethesda Krankenhaus Wuppertal