Ehrung Werner Jacken wird von der Jüdischen Kultusgemeinde Wuppertal die goldene Menorah verliehen

Wuppertal · Im Dienste guter Nachbarschaft.

Werner Jacken ist von der Jüdischen Kultusgemeinde mit der goldenen Menorah ausgezeichnet worden.

Foto: Katharina Pött

Für sein Engagement für eine gute christlich-jüdische Nachbarschaft ist dem früheren Öffentlichkeitsreferenten des evangelischen Kirchenkreises, Pfarrer i. R. Werner Jacken, die goldene Menorah der Jüdischen Kultusgemeinde Wuppertal verliehen worden.

Herr Jacken, was bedeutet diese Auszeichnung für Sie?

Werner Jacken: Ich habe mich sehr gefreut und bin auch stolz. Beim Empfang zum jüdischen Neujahrsfest hat mir der Vorsitzende der Jüdischen Kultusgemeinde, Leonid Goldberg, die Urkunde in der Bergischen Synagoge überreicht und eine Anstecknadel ans Jackett geheftet. Darauf ist die Menorah, der siebenarmige Leuchter zu sehen, eines der wichtigsten religiösen Symbole des Judentums. Diese Auszeichnung verleiht die Kultusgemeinde seit 2003 an nicht-jüdische Menschen für ihr Engagement zum Wohl der Jüdischen Gemeinde Wuppertal.

Was ist Ihr „Verdienst“?

Jacken: Ich sehe es nicht als „Verdienst“, sondern als Selbstverständlichkeit, mich für jüdisches Leben in Deutschland nach der Shoah zu engagieren. Dass überhaupt nach dem Krieg Jüdinnen und Juden wieder im „Land der Täter“ leben wollen, Gemeinden gründen und Synagogen bauen ist, ist ein Geschenk und verdient jede Unterstützung. Ich habe mich immer sehr für jüdisches Leben in Deutschland interessiert und seit meinem Vikariat in Wuppertal den Kontakt zur jüdischen Gemeinde gesucht. Wie übrigens auch zu Moscheegemeinden hier im Tal. Als der Vorsitzende Leonid Goldberg Mitte der neunziger Jahre äußerte, seine Gemeinde sei so gewachsen, dass sie eine Synagoge brauche, waren wir von dieser Idee sofort begeistert. Dem früheren Superintendenten Manfred Rekowski, dem verstorbenen Präses Peter Beier und anderen ist zu verdanken, dass dies 1996 in Barmen möglich wurde. Ich durfte hautnah erleben, wie Christen und Juden zu Nachbarn wurden.

Die Bergische Synagoge entstand dann auf dem Grundstück der Gemarker Kirche. Damit wurde christlich-jüdische Nachbarschaft sehr konkret.

Jacken: Allerdings! Das wurde mit Hilfe der Rheinischen Kirche möglich, die der Gemeinde das Grundstück abkaufte und es der Jüdischen Kultusgemeinde schenkte. Der Platz neben der Gemarker Kirche, als Entstehungsort der Barmer Theologischen Erklärung, war in mehrfacher Hinsicht ideal. Damals war ich Citykirchen-Pfarrer in Gemarke und habe mich von der Idee bis zum Bau und der Einweihung der Synagoge im Jahr 2002 eingebracht. Ich durfte hautnah erleben, wie Christen und Juden zu Nachbarn wurden. Was übrigens angesichts der strengen Sicherheitsmaßnahmen nicht so einfach war und ist. Für die Gemeinde Gemarke war unvorstellbar, dass ein Zaun die beiden Gebäude trennt. Deshalb schließt der Zaun Kirche und Synagoge ein und bildet eine besondere „Haftungsgemeinschaft“, wie Johannes Rau es nannte. Zudem wird die Synagoge von einem Sicherheitsdienst bewacht und kann nur durch eine Sicherheitsschleuse betreten werden. Begegnung fand aber schon an der Baugrube statt und schließt heute, wie bei jeder Hausgemeinschaft, auch die Mülltonnen ein, die gemeinsam genutzt werden. Gute Nachbarschaft ist nicht selbstverständlich, sondern muss immer belebt und erarbeitet werden.

Woher kam Ihr starkes Interesse an jüdischem Leben in Deutschland?

Jacken: Mein Vater hat den Zweiten Weltkrieg noch miterlebt und kam sehr spät traumatisiert aus russischer Kriegsgefangenschaft zurück. Mit 30 Jahren hatte er, für uns heute unfassbar, die Hälfte seines Lebens im Chaos verbracht. Über das, was zwischen 1933 und 1945 passierte, schwieg er. Ich habe mit meinen Eltern um Antworten gerungen, zumal mein Gymnasium in Rheydt auch Josef Goebbels besucht hatte. Im Unterricht haben wir uns mit dem Demagogen auseinandergesetzt und kamen der verstreuten jüdischen Gemeinde näher. Das war nicht selbstverständlich in dieser Zeit, aber für mich prägend.
Während des Theologiestudiums rückten in meinem Denken Christen und Juden untrennbar zusammen, das Volk Israel wurde zu den älteren Geschwistern. Als Christen gehören wir zur Familie Gottes. Diese Einsicht hat mein Studium und meine Arbeit hier in Wuppertal geprägt. Dass meine Eltern 2003, kurz vor dem Tod meiner Mutter, die neue Synagoge besucht haben und dabei auch Leonid und Lia Goldberg kennenlernten, war für mich und für uns als Familie ein sehr bewegender
Tag.

Sie haben die goldene Menorah in einer schwierigen Zeit erhalten. Es gibt wieder Krieg in Israel und einen zunehmenden Antisemitismus.

Jacken: Ich wünsche mir von ganzem Herzen Frieden in Israel, Gaza, dem Westjordanland, im Libanon und weit darüber hinaus und kann nur dafür beten.
Aber hier in unserer Stadt können wir mehr tun. Es tut mir weh, dass sich Jüdinnen und Juden hier nicht mehr sicher fühlen und wieder anfangen, die Koffer zu packen, wie Leonid Goldberg es formuliert.
Denn als die Synagoge vor 22 Jahren eröffnet wurde, betonten viele, die Koffer seien ausgepackt und die jüdische Gemeinde hier angekommen. Folgerichtig wurde vor über 20 Jahren auch ein „Freundeskreis Neue Synagoge“ gegründet. Vor fünf Jahren war ich skeptisch, ob wir den noch brauchen. Heute sage ich, nicht nur als Vorsitzender: Wir brauchen ihn mehr
denn je.