Wladimir Kaminer: Höhenflug mit dem Autor der Russendisko

Wladimir Kaminer sorgte für einen rappelvollen Saal in der Börse an der Wolkenburg.

Dass Russen brachiale Formen des Humors lieben, weiß jeder, der Videos im Web anschaut. Da nämlich hauen sie einander nach jedem noch so banalen Verkehrsunfall völlig ungehemmt auf die Glocke und finden es so lustig, dass sie die Filme ins Netz stellen. Wladimir Kaminer, am Dienstag zu Gast in der Börse, hat einen Teil dieser Vorliebe in seine deutsche Wahlheimat gerettet — sehr zur Freude aller, die des Wodkas reine Seele schätzen.

Das scheinen erstaunlich viele zu sein, denn der große Saal in der Börse platzte aus allen Nähten und ging unisono in schallendes Gelächter über, wenn Kaminer simple Weisheiten auf so verblüffend krude Weise sezierte, dass einem Borschtsch und Pelmini im Halse stecken blieben.

Der große Dichter Tolstoi habe gesagt, es sei nichts dagegen einzuwenden, Abstinenz vom Alkohol alleine auszuüben. Aber wenn sich schon anonyme Alkoholiker in Gesellschaft träfen, sei das doch ein guter Grund, darauf anzustoßen. Solche Einsichten haben ihre tiefsinnigen Seiten und sind so messerscharf auf den Punkt gebracht, dass Kaminer wahrhaft ein Ehrenplatz in der deutschsprachigen Literatur zusteht. Wer sonst könnte das germanische Kulturgut auf so herrliche Weise radebrechen, ohne dabei wie ein Volltrottel zu erscheinen?

Auch Russland kriegte sein Fett weg. Dort habe es zwischen Putin und Putin einen Präsidenten gegeben, der den Großteil seiner Zeit damit zubrachte, sich um die Zeit zu kümmern. Beispielsweise um die ewige Sommerzeit, die dann doch wieder abgeschafft wurde. So etwas ist Chaos der slawischen Art, an der Kaminer sich auf mitreißende Weise ergötzt, ohne beleidigend oder banal zu werden.