Workshop zur Frage: Ist Natur natürlich?
Physiker und Philosophen widmen sich dem Widerspruch von Teilchenphysik und Natur.
Naturgesetze sollen „natürlich“ sein. Diese scheinbar triviale Forderung sorgt derzeit bei Teilchenphysikern für Kopfzerbrechen. Der Grund dafür ist, dass die Theorie des Higgs-Teilchens, dessen Entdeckung am Large Hadron Collider (LHC), einem Teilchenbeschleuniger am Europäischen Zentrum für Teilchenphysik Cern in Genf, im Jahre 2012 gefeiert wurde, innerhalb der Teilchenphysik selbst als höchst „unnatürlich“ angesehen wird. Diesem Widerspruch widmet sich nun der Workshop „Naturalness, Hierarchy, and Fine Tuning“, der vom 28. Februar bis 2. März an der RWTH Aachen stattfindet.
Organisiert wird die Veranstaltung von der Forschergruppe der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) „The Epistemology of the Large Hadron Collider“ unter Leitung von Prof. Dr. Gregor Schiemann, Sprecher der Forschergruppe und Professor für die Geschichte und Theorie der Wissenschaften an der Bergischen Universität Wuppertal, Prof. Dr. Robert Harlander, theoretischer Teilchenphysiker an der RWTH Aachen (früher Professor an der Bergischen Universität) und Dr. Joshua Rosaler (RWTH Aachen).
„Das Teilchen ist einfach zu leicht“, so Prof. Harlander. Er ist Teil der DFG-finanzierten Forschergruppe, die derartigen Fragestellungen mit interdisziplinären Methoden nachgeht. Dabei handelt es sich um einen weltweiten Zusammenschluss von mehr als 20 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus Physik, Philosophie, sowie Wissenschaftsgeschichte und -soziologie. Sollte die Natur keine weiteren, bislang unentdeckten Teilchen in petto haben, dann würde man erwarten, dass das Higgs-Teilchen eine Million Millionen Millionen (1 mit 18 Nullen) mal schwerer ist, als tatsächlich gemessen.
„Es gibt eigentlich nur drei Möglichkeiten: Entweder, es existieren noch weitere Teilchen, die wir am LHC entdecken können. Oder die Natur und die Physiker haben unterschiedliche Vorstellungen davon, was natürlich ist. Oder unsere Theorie ist grundlegend falsch“, so Harlander weiter. Diese Fragestellung steht im Zentrum des Workshops. So soll international führenden Forschern aus unterschiedlichen Disziplinen ein Forum geboten werden, sich über die gegenwärtige Situation der Teilchenphysik im Allgemeinen und die spezielle Rolle des Higgs-Teilchens auszutauschen.
„Dem Dialog zwischen Physik und Philosophie ist lange Zeit leider nicht genug Aufmerksamkeit geschenkt worden. Mit unserer interdisziplinären Kooperation, die ihren Ursprung an der Bergischen Universität Wuppertal genommen hat, wirken wir dem seit über zehn Jahren erfolgreich entgegen“, fasst Prof. Dr. Gregor Schiemann das Ziel der Forschergruppe zusammen. Der LHC liefert zwar fundamentale Ergebnisse in der Teilchenforschung, doch trotz großer Erfolge können die Physiker nur fünf Prozent des Weltalls erklären. Es ist geplant, die Ergebnisse des Workshops in einer Spezialausgabe einer renommierten wissenschaftlichen Zeitschrift zu veröffentlichen. Weitere Informationen unter Red
lhc-epistemologie.uni-wuppertal.de