Wuppertal Jubelstürme nach Gedok-Konzert
Wuppertal · Julia Reznik und Jan Michael Horstmann zeigten russische Musikliteratur.
Vielleicht sollte man einen Historiker fragen, ob es in Wuppertal schon einmal nach einem Liederabend so zugegangen ist wie gerade in der ausgezeichnet besuchten Citykirche Elberfeld erlebt. Dort ging es, nachdem der letzte Ton verklungen war, zu wie bei Rock- und Popkonzerten: begeistertes Grölen und Pfeifen. Verantwortlich dafür waren zwei mit dieser Stadt eng verbundene Künstler, die diese Gedok-Veranstaltung mit einem außergewöhnlichen Programm zu einem ganz besonderen Ereignis machten.
Julia Reznik aus Odessa ist Mitglied des Schauspielensembles der Wuppertaler Bühnen. Doch nur Insidern dürfte bekannt sein, dass sie über eine ausgebildete Altstimme verfügt. Jan Michael Horstmann, der hier sein Abitur und seine ersten musikalischen Gehversuche machte, verlässt die Stadt nach einer recht kurzen Interimsphase wieder, da er Chef der Mitteldeutschen Kammerphilharmonie wird. Neben seinem Hauptberuf als Dirigent ist er auch ein glänzender Pianist.
Beide hatten sich Musikliteratur ausgesucht, die leider viel zu selten in der westlichen Kulturhemisphäre auf Konzertprogrammen steht, nämlich solche aus Russland: Modest Mussorgskys vierteiliger Zyklus „Lieder und Tänze des Todes“, die „Drei Romanzen“ (op. 73) aus der Feder von Sergej Prokofjew und Dmitri Schostakowitschs Vertonung der „Sechs Gedichte von Marina Zwetajewa“ (op. 143) aus dem Jahr 1973. Die Poetin war eine Klavierschülerin von Anton Rubinstein, erfuhr, nach ihren Exilaufenthalten nach Russland zurückgekehrt, ab 1939 unter dem Stalin-Regime heftige Repressalien, die 1941 zu ihrem Selbstmord führten.
Beiden merkte man es nicht an, dass sie zum ersten Mal gemeinsam auftraten. Blindes Verständnis füreinander und ein tief ausgeloteter Zugang zu Musik wie Textinhalten waren wesentliche Merkmale ihrer Darbietungen. Reznik faszinierte mit einem ausgewogen-kräftigen, auch im Forte stets kultivierten Alt, der dank dieser Eigenschaften absolut glaubwürdig die emotionalen, seelischen Zustände ergreifend darstellte, zumal sie auch mimisch diese Befindlichkeiten überzeugend vermittelte. Horstmann war ihr ein stets hochsensibel-mitatmender Klavierbegleiter, der auch aufgrund seiner differenzierten Anschlagskultur die teils komplexen musikalischen Strukturen klar zum Ausdruck brachte.