Gesellschaft Wuppertal: Ihr wurde der Einkauf mit ihrem Assistenzhund untersagt
Elberfeld · Anne Remers wollte mit ihrem Hund, auf den sie angewiesen ist, in einer Lidl-Filiale einkaufen, doch daraus wurde nichts – das Unternehmen bedauert das.
Anne Remers ist sauer. Vergangene Woche wurde ihr der Zutritt zum Lidl am Otto-Hausmann-Ring verwehrt. Der Grund: Ihr Hund Levi durfte nicht mit rein. Der ist jedoch ein Assistenzhund, auf den sie aus medizinischen Gründen angewiesen ist.
Dass sie den Lidl nicht betreten durfte, sei für sie ein Fall von Diskriminierung. „Leider ist das kein Einzelfall und Assistenzhundeteams haben immer wieder Zutrittsprobleme. Dieser Hund rettet mein Leben“, sagt die 23-Jährige. „Er warnt mich frühzeitig vor einem Krampfanfall, oft kann dieser Anfall dann verhindert werden und es ist kein Rettungswagen nötig. Ohne meinen Hund bekomme ich nicht mit, wenn sich ein Anfall anbahnt, und es ist nicht selten vorgekommen, dass ich mich verletzt habe.“
Seit 2021 ist es gesetzlich vorgeschrieben, dass Menschen mit Assistenzhund der Zugang zu Einrichtungen nicht verweigert werden darf. Auf der Plattform TikTok macht Anne Remers in einem Video auf ihren Fall aufmerksam. „Hi, ich bin Anne und wurde heute aus dem Lidl rausgeschmissen. Wieso? Ganz einfach. Ich bin aufgrund meiner Schwerbehinderung und meiner Erkrankung auf meinen medizinischen Assistenzhund angewiesen“, erklärt sie dort. Normalerweise gebe sie den Mitarbeitern an der Kasse immer Bescheid, wenn sie einkaufen geht. „Heute kamen wir gar nicht dazu“, sagt sie. Sie sei sofort des Ladens verwiesen worden – obwohl sie versuchte, den Mitarbeitern zu erklären, warum sie den Hund mitnehmen dürfe.
Auch Unterlagen inklusive Prüfungsbescheinigung des Hundes habe sie den Mitarbeitern gezeigt. „Das war den Mitarbeitenden aber egal“, sagt sie. „Lidl, bitte klärt eure mitarbeitenden Personen auf“, sagt sie. „Dieser Hund ist ein medizinisches Hilfsmittel. Dieser Hund rettet mein Leben. Heute habe ich zum Glück nur eine starke Panikattacke bekommen. Wäre dieser Hund nicht bei mir gewesen, hätte er mir nicht gesagt, dass ich kurz davor wäre, einen Krampfanfall zu bekommen - im Lidl. Dann hätten die Mitarbeiter eine ganz andere Aufgabe gehabt. Wir haben das Recht, einkaufen zu gehen“, sagt Anne Remers zum Schluss im Video.
Als der Hund noch in seiner Ausbildung zum Assistenzhund gewesen ist, sei ihr Gleiches nicht einmal passiert – obwohl es da noch keinen Nachweis über den Hund gab. Erst in der Woche vor dem Vorfall habe der Hund seine Prüfung bestanden. „Ich habe Lidl angeschrieben, aber kein Wort der Entschuldigung erhalten“, sagt Anne Remers. Einen Screenshot davon hat sie an die WZ gesendet. „Weil wir wissen, dass Ihr Hund Sie dabei unterstützt, ein unabhängiges und selbstbestimmtes Leben zu führen, darf er gerne mit seinem Frauchen unsere Filialen besuchen. Einzige Voraussetzung dafür: Ihr Hund ist auch als Assistenz- beziehungsweise Servicehund gekennzeichnet“, heißt es in der Antwort.
Und auch auf WZ-Anfrage meldet sich Lidl. „Wir entschuldigen uns in aller Form für die Unannehmlichkeiten der Kundin. Unsere Mitarbeiter in der Filiale wurden umgehend informiert und nochmals hinsichtlich der Thematik sensibilisiert“, teilt Sprecherin Isabel Ehrhardt mit. „Allen Kunden möchten wir selbstverständlich einen angenehmen und einfachen Einkauf ermöglichen. Daher ist die Mitführung eines nachweislich ausgebildeten Assistenzhundes in Lidl-Filialen erlaubt.“ Auch sie verweist darauf, dass Kunden, die auf einen Assistenzhund angewiesen sind, bei Bedarf entsprechende Nachweise bereithalten sollten. „Während des Einkaufs ist darauf zu achten, dass der Assistenzhund keine Lebensmittel berührt. Hunde ohne entsprechende Ausbildung sind in unseren Filialen nicht gestattet“, erklärt sie weiter.
Für Anne Remers kommt das zu spät: „Selbst, wenn sie ihre Mitarbeiter schulen, möchte ich in der Filiale nicht mehr einkaufen gehen.“
Beschwerden im Inklusionsbüro haben deutlich abgenommen
Sandra Heinen, Inklusionsbeauftragte der Stadt Wuppertal und Leiterin des Inklusionsbüros, kennt die Thematik. „In den vergangenen zwei Jahren haben die Beschwerden im Inklusionsbüro deutlich abgenommen“, sagt sie. Das liege an der geschaffenen Gesetzesgrundlage und an der erfolgreichen Aufklärungsarbeit von Vereinen, wie Assistenzhunde NRW oder die Pfotenpiloten. Die gesamte Stadtverwaltung sei beispielsweise für Assistenzhunde sensibilisiert worden – gerade auch Pförtnerhäuser oder Security-Dienste wie im Haus der Integration, die oft zum Nadelöhr für Menschen mit Assistenzhund würden.
Dass die Aufklärungsarbeit aber noch weiter intensiviert werden müsse, zeigen ihr Anrufe, die sie im Inklusionsbüro erhält. „Unsicherheiten gibt es weiterhin. Vor ein paar Monaten rief mich eine Frau an, die heiraten und wissen wollte, ob sie ihren Assistenzhund mit ins Standesamt nehmen darf“, berichtet Sandra Heinen. Die Antwort darauf: ein klares Ja. Das gilt ebenso für Arztpraxen und Krankenhäuser. Unklar ist es beispielsweise noch, ob Assistenzhunde mit ins Schwimmbad dürfen. „Diese Unsicherheiten basieren auf negativen Erfahrungen“, weiß Heinen. Herausfordernd sei es, dass Informationen – wie im Fall des Lidl – auch bis „in das kleinste Äderchen eines Unternehmens“ vordringen.