Interview „Wir zeichnen bewusst Karikaturen“

Opernintendant Berthold Schneider zu den Rassismusvorwürfen gegen „Das Land des Lächelns“.

Ralitsa Ralinova als Lisa in „Das Land des Lächelns“. Foto: B. Stoess

Foto: Bettina Stoess

Nach der Premiere der Operette „Das Land des Lächelns“ von Franz Léhar im Opernhaus am 14. Oktober gab es den Vorwurf, diese Inszenierung von Guy Montavon beinhalte rassistische Momente. Sie ist eine Koproduktion der Oper Hongkong mit dem Theater Erfurt, die dort vor drei Jahren auf die Bühne gehoben wurde. Opernintendant Berthold Schneider bezieht dazu Stellung.

Als Sie die Inszenierung von Erfurt nach Wuppertal holten, ist Ihnen nicht der Gedanke gekommen, sie könnte rassistisch sein?

Berthold Schneider: Überhaupt nicht!

Gab es dort oder in Hongkong Premierenbesprechungen oder andere Äußerungen mit rassistischen Vorwürfen über die Inszenierung?

Schneider: Bei unseren Recherchen im Vorfeld der Übernahme ist mir diesbezüglich nichts untergekommen - ich hatte aber auch nicht danach gesucht. Als ich nun Montavon danach fragte, antwortete er, dass es weder in Erfurt noch in Hongkong eine Reaktion in dieser Richtung gegeben hat.

Es ist von einer „Form von rassistischem Klamauk, den wir eigentlich überwunden haben“ die Rede, explizit im 2. Akt mit dem albernen Diener oder den als Volltrottel dargestellten chinesische Soldaten. Wie stehen sie dazu?

Schneider: Ich kann das nicht nachvollziehen. Man macht sich natürlich lustig über die chinesischen Knallchargen und die Wiener Hof-Gesellschaft. Wir zeichnen bewusst richtige Karikaturen und keinen Realismus. Ein überdrehter Diener – das ist Operettenhumor. Das hat mit einer Denunzierung eines Landes nichts zu tun.

Der Inszenierung wird vorgeworfen, Schuld seien die Chinesen, dass die Beziehung zwischen dem Prinzen Sou-Chong und Lisa auseinandergeht.

Schneider: Anfangs in Wien überwindet die Liebe alle Schranken. An den damaligen Gegebenheiten im kaiserlichen China geht diese Liebe dann kaputt. Sou-Chongs Schwester, Mi, zeigt aber z.B. eine moderne, aufgeklärte Chinesin, an der ihr konservativer Onkel verzweifelt.

Aus heutiger Sicht kommen in manchen Opern und Operetten gerade aus dem 19. Jahrhundert rassistisch anmutende Charaktere vor. Wie soll man damit umgehen? Ist „Das Land des Lächelns“ eine Ausnahme?

Schneider: Wir müssen die Stücke auf der Höhe unserer Zeit lesen. Wir sind gefordert, bei kritischen Charakteren oder Handlungselementen eine Haltung zu entwickeln, Flagge zu zeigen. Wir müssen die Stücke interpretieren, aber nicht umschreiben. Bei besagter Operette gibt es keine Elemente, die ohne Kommentar unakzeptabel oder beleidigend wären. Unser Publikum braucht hier weder eine Einordnung noch einen Zeigefinger. Übrigens: Die Stärken sind in diesem Stück die Frauen. Und dass es mit Beziehungen schief gehen kann, finde ich ziemlich modern.