Kultur Klassischer Gassenhauer im ersten Kammerkonzert

Gelungene Saisoneröffnung in der Historischen Stadthalle.

Selina Lohmüller (Klarinette), Alberto Carnevale Ricci (Klavier) und Vera Milićević (Violoncello) spielten Beethoven, Bernstein und Fauré.

Foto: Fischer, Andreas H503840

Wie viel Neues entdecken Orchestermusiker bei der Kammermusik? Jedenfalls kam hier die Individualität von Selina Lohmüller (Klarinette), Vera Milićević (Violoncello) und Alberto Carnevale Ricci (Klavier) voll zur Geltung, was den Reiz dieser Konzerte ausmacht.

Ludwig van Beethoven (1770-1827) konnte nicht nur ernst und dramatisch, sondern auch locker und humoristisch wie zum Beispiel in seinem Trio Op. 11 B-Dur für Klarinette, Violoncello und Klavier von 1798.

Das krasse und freche Thema des letzten Satzes, welches in munteren Variationen ausgebreitet wird, wurde von Beethoven aus der Oper eines erfolgreichen Zeitgenossen geklaut. Mit Kraft und Energie, singendem beseelten Cello, flinker Klarinette, zuletzt mit Synkopen und Taktwechseln perlte das „Gassenhauer“-Trio vergnüglich vorüber.

Leonard Bernstein begründete seine Karriere mit Musicals wie West Side Story, begann sie aber als Student um 1940 mit Kammermusik, darunter dieser Klarinettensonate. Im ersten Satz eher neoklassizistisch akademisch, beginnt der zweite Satz langsam elegisch, wechselt aber schnell zu synkopisch flottem Scherzo mit komplexer Rhythmik, wobei Jazz und Groove der späteren Jahre noch kaum zu erkennen sind. Souverän wie elegant trotz der schwierigen Rhythmen und stellenweise großer Virtuosität endet das ganze zuletzt poco piu lento.

Beethoven hat das Violoncello
als Soloinstrument entdeckt

Über ein populäres Thema Variationen zu schreiben, war um 1800 aus finanziellen Gründen beliebt. Beethoven hatte mit fünf Sonaten das Violoncello als Soloinstrument entdeckt und zusätzlich noch drei Variationszyklen für Klavier und Cello geschrieben.

Er nutzte dafür wieder kein eigenes Thema, sondern das bekannte „Bei Männern, welche Liebe fühlen“ aus der „Zauberflöte“. Die technisch anspruchsvollen Variationen des an sich einfachen Themas, blitzsauber gespielt, wurden vom dunklen Alt bis in seelenvolle Höhen, vom ausdrucksvollen Adagio bis zum flotten Allegro und musikantischen Scherzo in Dur und Moll nahezu zu Charakterstücken. Alle Aspekte des wichtigen Themas loteten Cellistin wie Pianist intensiv aus.

Gabriel Faurés (1845-1924) einziges Klaviertrio stammt aus seinem Todesjahr 1923. Zur einleitenden Cello-Kantilene, begleitet vom Klavier, kommt bald die Violine hinzu; unterschiedliche Themen sind im breiten, dynamisch an- und abschwellendem Fluss des 1. Satzes kaum auszumachen, und eine musikalische Auseinandersetzung zwischen gegensätzlichen Themen findet nicht statt. Im Andantino des 2. Satzes atmen weite kantable Bögen oft unisono umeinander beziehungsweise wogen merkwürdig hin und her.

Mit Poesie und Noblesse nahm man sich dieses in Deutschland vielleicht unterschätzten französischen Komponisten an, der als Kompositionslehrer unter anderem von Maurice Ravel die Musik Frankreichs stark beeinflusst hat.

Die Melancholie dieses Klaviertrios kann als Ausdruck schweren Gehörleidens und eingeschränkten Sehvermögens des ständig erschöpften Komponisten gedeutet werden, wie er damals seiner Frau schrieb. Gleichwohl läuft der Schlusssatz noch als Allegro vivo mit einem für das Klavier anspruchsvollen Part flink dem Ende entgegen.

Trotz starken, dankbaren Applauses im voll besetzten Mendelssohn Saal gab es keine Zugabe, insgesamt war es aber eine gelungene Saisoneröffnung.