Reisebericht Wuppertaler auf Reisen im südafrikanischen Wupperthal
Wuppertal · Karl Hermann Mencke aus Beyenburg besuchte mehrfach den Ort– ein Feuer nahm vielen Bewohnern 2018 die Existenz.
Am Morgen des 27. Dezember 1829 verließ Johann Gottlieb Leipoldt den Ort Clanwilliam in Südafrika. Er hatte einen Auftrag. Im Namen der Rheinischen Missionsgesellschaft, vor allem aber im Namen Gottes. Auf der Suche nach einem geeigneten Ort für den Aufbau einer Mission landete er zunächst in „Biedouw Valley“. Die Reise in der Hitze des Sommers, der zu dieser Zeit auf der Südhalbkugel herrschte, war beschwerlich – für das Pferd wie auch für seinen Reiter –, doch sie war erfolgreich. Ein Farmer zeigte sich bereit, einen Teil seines Besitzes zu verkaufen. Nur lag dieser ein Stück weit weg. „Genauer gesagt, drei Stunden von hier.“
Die Mühe sollte sich für Johann lohnen. Als er den Ort erreichte, war er völlig verzaubert. Der Fluss Tra Tra war umgeben von hohen felsigen Bergen und floss sanft ins Tal. Jenseits davon lag der Gebirgszug der Zederberge. „Die Aussicht, die sich ihm bot, erinnerte Johann an das Wupper-Tal, das einst seine Heimat war, und so beschloss er, die neue Mission Wupperthal zu nennen, die er mit drei weiteren Missionaren betrieb.“ So beschrieb es die aus der Region stammende Farmerin Olive Nieuwouldt 2015 in ihrem Buch „My Cederberg Story“. Wenige Monate später starb sie, doch ihre Erinnerungen an die Geschichte der Siedlung bleibt bestehen.
Die Region ist schwer zugänglich – Allradantrieb ist vonnöten
Dass das Kapitel über die Partnerstadt den Titel „Wupperthal – Eine blühende Gemeinschaft“ trägt, kommt nicht von ungefähr. Karl Hermann Mencke weiß das nur zu gut. Der 85-Jährige stammt aus einer alten Gärtnerfamilie, die ihren Ursprung 1842 in Geseke im Kreis Soest hatte. „1870 ist mein Urgroßvater dann nach Barmen gekommen.“ In Sprockhövel existiert noch das gleichnamige Gartencenter, Mencke selbst wohnt mit seiner Frau mittlerweile in Beyenburg.
Als ehemaliger Produzent von Zierpflanzen galt sein Interesse den Vegetationen dieser Welt: „Ich wollte schauen, unter welchen Bedingungen die Pflanzen wachsen und wie sie die Gebiete prägen. Viele unserer Kulturpflanzen stammen ja aus Südafrika.“ Dort an der Westküste existiert die „Cape Flower Route“, die auch an der Region um Wupperthal vorbeiführt. 650 Kilometer Artenvielfalt.
Seit 2002 war Karl Hermann Mencke sechsmal in der Region. „Das ist total beeindruckend, ein Phänomen. Die meiste Zeit ist die Region dort Wüste. Alles trocken. Aber dann kommt im Winter die Regenzeit, die sehr ergiebig ist. Die Samen beginnen zu keimen, wachsen zu Pflanzen und dann haben Sie im Sommer ein riesiges Blütenmeer.“ In einem der Nationalparks seien diese 1200 Hektar groß, „das hält aber nur vier Wochen an“.
Die Region sei schwer zugänglich: „Da gibt es nur eine Straße und wenn man die befährt, gleichen die hiesigen Landstraßen einer Autobahn“, erinnert er sich. „Wir haben uns einen Mietwagen genommen. Man hat mir gesagt, das sei die gefährlichste Route Südafrikas, wir sind trotzdem durchgefahren. Durch Gewässer, bis zu 35 Prozent Steigung, manchmal klafften die Abhänge daneben und die Straße war so eng, wenn jemand entgegengekommen wäre, hätte man ein paar Kilometer rückwärtsfahren müssen, um den Gegenverkehr durchzulassen; es gab kaum Ausweichmöglichkeiten.“ Ein Abenteuer.
Und dann kam Wupperthal ins Blickfeld. Nicht nur mit der Kirche und dem Internat, sondern auch mit der Schuhfabrik. Denn 1836 hatte Missionar Johann Gottlieb Leipoldt dort zudem eine kleine Fabrik in Betrieb genommen, in der Schuhe und Lederschürzen hergestellt wurden. Schließlich war Gottlieb ursprünglich Schuhmacher von Beruf. Historiker Detlef Vonde berichtete darüber Ende Juli in der WZ.
2017 war Mencke zum letzten Mal in Südafrika. „Diese Schuhfabrik gab es bei unserem Besuch noch“, erzählt er. „Aber es war nur ein Arbeiter da und die Einrichtung sah etwas klöngelig aus.“ Die Schuhe seien jedoch vor allem in Clanwilliam verkauft worden, einem Ort 40 Kilometer von Wupperthal entfernt. „Denn nach Wupperthal selbst kommen ja kaum Touristen.“ Ein Paar Schuhe habe er sich nicht gekauft, zumal es sich um sogenannte Feldschuhe handle. Leicht und dennoch robust und ursprünglich für die Arbeiter bestimmt, die auf Farmen tätig waren.
Ein Jahr nach Menckes letztem Besuch geschah jedoch die Katastrophe: Ein Großteil von Wupperthal fiel einem Brand zum Opfer. 200 Bewohner verloren ihr Zuhause, historische Gebäude wurden zerstört, der Denkmalkomplex der Mission erlitt Schäden von umgerechnet fast einer Million Euro.
Wie sich später herausstellte, war offenbar Brandstiftung die Ursache, teilte die Herrnhuter Missionshilfe mit, die 1965 die Missionsstation im Ort übernommen hatte: Unbekannte hatten an einem wilden Bienenstock Feuer gelegt, um die Bienen zu vertreiben und den Honig zu stehlen. Doch das Feuer geriet außer Kontrolle. Heute sollen wieder etwa 4000 Menschen in Wupperthal leben.
Wie gut, dass Olive Nieuwouldt, die in der Nähe das einzige Restaurant betrieb, einige Jahre zuvor ihre Erinnerungen aufgeschrieben hatte. Karl Hermann Mencke kaufte das Buch und hält es bis heute fest. Denn noch einmal dorthin zurückzukehren, kann sich der 85-Jährige nicht vorstellen: „Die letzte große Reise habe ich mit meiner Frau nach Bolivien gemacht, das war 2019 – auf 4800 Metern Höhe.“ Für Mencke offenbar kein Problem, zumal er auch schon in Peru und Venezuela unterwegs war.
Insgesamt 75 Länder der Erde hat er bereist. Zu den Höhepunkten zählte unter anderem eine Tour durch Nordamerika. „20 000 Kilometer mit dem Auto und mit dem Zelt.“ Oder eine Wanderung in Kasachstan über die Berge nach Kirgisistan. Immer auf der Suche nach Abenteuern. Und den Pflanzen, die die Region prägen. Das Leben ist bunt. Das zeigt die Natur, wenn der Mensch es zulässt, jedes Jahr aufs Neue.