Im Gespräch Wuppertaler erinnern sich an die Sommer ihrer Kindheit
Wuppertal · Die WZ sprach mit älteren Wuppertalern über die Sommer, die noch unbeschwert waren.
„Das erste Mal in den Urlaub gefahren bin ich mit 18. Da war ich mit meiner Schwester am Chiemsee. Die Zugfahrt dauerte ewig lang, aber dann wurde es lustig. Wir waren auf einem Zeltplatz und haben dort Jungs kennengelernt. Tagsüber sind wir mit einem Floß auf dem See unterwegs gewesen und abends in die Disco gegangen. Da sind sogar mal die Flippers aufgetreten, kennen Sie die noch?“ Barbara Bietz erinnert sich gern an ihre Jugend zurück – an die Sommer, die noch unbeschwert waren. Und in denen es nicht viel brauchte, um glücklich zu sein.
Im Café Anno im Begegnungszentrum am Arrenberg kommen regelmäßig Senioren zusammen, um sich bei Kaffee und Kuchen auszutauschen. Das Café trägt nicht nur deshalb ein „Anno“ im Namen, weil sich hier ältere Menschen treffen, sondern weil sie auch gern in Erinnerungen schwelgen. Zum Beispiel an ihren „Sommer von damals“. Als die Welt noch groß war, aber gerade die kleinen Dinge zählten. Zum Beispiel der Besuch im Freibad Hütterbusch in Cronenberg, das es heute nicht mehr gibt. Als man mit der Familie nicht für drei Wochen nach Thailand flog, sondern mit dem Zug zum Drachenfels fuhr. Als eine Kugel Eis noch zehn Pfennig kostete und man nur die Wahl zwischen Schokolade, Erdbeere, Vanille und vielleicht noch Zitrone hatte. Die Westdeutsche Zeitung hat sich mit Zeitzeugen unterhalten und ihre ganz persönlichen Anekdoten erzählen lassen. Zwischen Elberfeld und El Arenal.
Wie die WZ im Juli durch eine Umfrage herausfand, reisen die Wuppertaler im Sommer am liebsten nach Spanien, in die Türkei oder nach Griechenland – wenn es exotisch werden soll, landen Japan und Bali weit vorne. Für Irmgard Mäder war das in den 50er- und 60er-Jahren unvorstellbar. „Einen Flug konnte sich der Otto Normalverbraucher doch gar nicht leisten.“ Stattdessen ging es in den Sommerferien zur Tante in Den Haag. „Da stand an der Klingel immer: 2x bellen. Das habe ich natürlich beherzigt“, sagt sie und lacht.
Einer der ersten Familienurlaube abseits der Verwandtenbesuche führte nach St. Johann in Tirol. „Die Gastgeber haben damals ihre Garage ausgeräumt und dort auf Feldbetten geschlafen, damit sie uns in ihrer Wohnung unterbringen konnten.“ Das sei durchaus üblich gewesen. „Es gab kein fließendes Wasser aus dem Hahn, nur eine Schüssel und einen Krug.“ Nicht umsonst habe es dieses Lied gegeben: „Die Tiroler sind lustig, die Tiroler sind froh. Sie verkaufen ihr Bettchen und schlafen auf Stroh“, dichtete Emanuel Schikaneder schon 1785.
„Die Ferien bei den Großeltern waren immer die schönsten“, erinnert sich Ute Böckmann. Und die wohnten am Hahnerberg. In Hameln, wo die 94-Jährige aufwuchs, „hat mich meine Mutter in den D-Zug gesetzt, dem Schaffner anvertraut, und meine Großeltern haben mich hier in Elberfeld am Bahnhof abgeholt“. Das Schwimmbad Neuenhof war wenig später die erste Anlaufstelle. Oder der Zoo. Tiergärten waren für Ute Böckmann sowieso ein Lieblingsziel: „Ich habe in meiner Kindheit auch mal in Düsseldorf gewohnt.“ Damals gab es dort auch noch einen Zoo, der allerdings im Zweiten Weltkrieg zerbombt wurde. „Ich war als Kind darin mit dem Puppenwagen unterwegs und bin immer zu den Meerschweinchen ins Gehege geklettert. Die lebten in so einem Miniaturdorf, das fand ich schön, deshalb waren die Mitarbeiter ständig damit beschäftigt, mich wieder rauszuholen.“
Im letzten Kriegsjahr verpflichtet, bei einem Bauern zu arbeiten
Doch die Sommer waren nicht nur mit Freuden, sondern auch mit existenziellen Mühen verbunden, weiß Böckmann: „Im letzten Kriegsjahr wurden wir dazu verpflichtet, bei einem Bauern zu arbeiten, um Kartoffelkäfer zu suchen. Dazu wurden wir ins Calenberger Land in der Nähe von Hannover geschickt.“ Trotz der Umstände habe sie es herrlich gefunden, „wir bekamen etwas Anständiges zu essen und frische Milch“.
Bernd Kirschner hingegen hatte schon immer eine Affinität zum Wasser. Es mag in der Kindheit begründet sein, denn neben dem Naturfreibad Jochum, das es seinerzeit in Elberfeld gab, reisten seine Eltern mit ihm im Sommer entweder nach Juist oder Schiermonnikoog, das zu den Westfriesischen Inseln der Niederlande gehört. „Als ich älter war, bin ich mal mit meinem Onkel und meiner Tante zum Bodensee gefahren. Mit einem Fiat 500. Das war Ende der 50er-Jahre. Im Schwarzwald haben wir übernachtet.“ War ja schließlich eine ziemliche Strecke. Gerade in einem vollgepackten Kleinwagen.
Dann kam die Bundeswehrzeit – und es wurde wilder. Zumindest ein wenig. „Mit 18 Jahren bin ich mit zwei Fußballkameraden nach Mallorca geflogen. Ich glaube sogar, mit Neckermann. Nach El Arenal.“ Den Ballermann gab es damals noch nicht. „Nur Bacardi-Cola.“ Drei Wochen Vollpension für 500 Mark. Als er mit Renate zusammenkam, ging es erneut nach Mallorca. Oder Ibiza. Mit der Tochter nach Bulgarien, an den Goldstrand. Hauptsache ans Meer.
Und dann, ja dann gab es da noch die Stadtranderholung, erinnert sich Barbara Bietz. Am Elend im Zooviertel. Die Straße heißt heute noch so, und auch das Konzept der Stadtranderholung wird noch von Institutionen wie der Diakonie und dem Caritasverband Wuppertal-Solingen angeboten. Abenteuer vor der Haustür. Sie sind auch in der Gegenwart noch möglich. Selbst wenn das Eis mittlerweile nicht mehr zehn Pfennig, sondern 1,50 Euro kostet.