Popkonzerte und Gitarrenmusik an jeder Ecke, Andachten und Gottesdienste mit vielen jungen Menschen, Schlafsäcke in Klassenräumen: Auf dem Deutschen Evangelischen Kirchentag zeigt Kirche alle zwei Jahre ein ganz anderes, vor allem junges Gesicht. „Es ist echt krass, dass da so viele Jugendliche hinkommen. Damit hatten wir überhaupt nicht gerechnet, als wir vor zwei Jahren zum ersten Mal in Nürnberg dabei waren“, erzählen Anna und Carolina. „Wir sind richtig viele, denen Glaube und Kirche etwas bedeuten!“
Damals waren die beiden 15 und 16 Jahre alten Mädchen noch Konfirmandinnen. Jetzt begleiten sie Konfis aus ihrer Wuppertaler Gemeinde Schellenberg-Einern als Teamerinnen. Auch die 18-jährige Jolie, die gerade ein FSJ in der Gemeinde Vohwinkel macht, fährt mit Konfis vom 30. April bis 4. Mai auf den Kirchentag nach Hannover. „Ich bin zum ersten Mal dabei und schon ziemlich aufgeregt“, sagt sie. „Es wird bestimmt schön, aber auch anstrengend, die Konfis im Auge zu behalten.“
Keine leichte Aufgabe bei rund 1500 Veranstaltungen an über 60 Orten in Hannover. Auf dem Messegelände präsentieren sich über 500 Initiativen beim „Markt der Möglichkeiten“.
Rund 650 Gesprächsgäste aus dem In- und Ausland werden erwartet, darunter die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel, Theologin Margot Käßmann und die Washingtoner Bischöfin Mariann Edgar Budde, die Präsident Donald Trump Paroli geboten hatte. Auf dem Großkonzert am Samstag spielt die bekannte Popband „Jupiter Jones“. Mit insgesamt bis zu 100 000 Besuchern rechnen die Veranstalter.
„Die weltpolitische
Situation macht vielen Angst“
Die großen Podien und politischen Diskussionen interessierten Jugendliche in der Regel aber weniger, beobachtet die Jugendreferentin des evangelischen Kirchenkreises, Bettina Hermes. „Die weltpolitische Situation macht vielen Angst. Sie suchen nach Perspektiven für ihr Leben, nach Spiritualität und Gemeinschaft. Und sie möchten mitreden können. Die großen Podien sind meistens kein Ort dafür.“
Ganz anders das „Zentrum Junge Menschen“, wo Jugendliche ab 13 Jahren Bubble Soccer zocken, einen Escape Room meistern oder den eigenen Ressourcenverbrauch testen und zusammen coole Andachten und Gottesdienste feiern können. „Da haben wir in Nürnberg total krasse Leute kennengelernt“, berichtet Carolin, „und spontan unsere Freundschaft segnen lassen. Das war auch cool.“
Für viele Jugendliche sei es eine neue Erfahrung, dass ihre Meinung gefragt sei und sie – vor allem im Zentrum Junge Menschen – mitdiskutieren und mitgestalten könnten, erklärt Bettina Hermes. „Manche erleben das in ihren Gemeinden anders. Der Kirchentag gibt da einen guten Impuls, Jugendliche mit ihren Ideen und Wünschen ernster zu nehmen und stärker einzubeziehen. Und nach dem Besuch des Kirchentags fordern sie das oft auch vehementer ein.“
Denn dass sie Verantwortung übernehmen wollen und können, zeigen die jugendlichen Teamer mit ihrer Bereitschaft, die Konfis zu begleiten. „Wir übernachten alle zusammen in einer Schule. Dafür zu sorgen, dass nicht nur gequatscht, sondern auch geschlafen wird, ist schon eine Herausforderung“, meint Anna. Ein bisschen Sorge hat Jolie, ob die gemeinsamen Fahrten mit Bahn und Bus klappen und dann alle auch in den Veranstaltungen landen, die sie besucht wollen und sollen.
Doch dafür steht ihnen – neben den Verantwortlichen aus den Gemeinden, die mitfahren – auch Bettina Hermes zur Seite. „Ich bin jederzeit übers Handy erreichbar“, verspricht sie. „Ich helfe als Lotsin, wenn Jugendliche sich verfahren oder plötzlich in der falschen Veranstaltung sitzen, was gar nicht so selten vorkommt.“ Und wer in all dem Trubel mal ein ruhiges Gespräch braucht, kann sich mit der Jugendreferentin auf einen Kaffee verabreden.