Was glauben Sie denn? Wuppertaler Kirchenkolumne: Fußball – ein herrliches Spiel

Wuppertal · Die Beschreibung ist historisch und einem Wörterbuch angemessen.

Jochen Denker, Pfarrer in der Gemeinde Reformiert Ronsdorf und Synodalassessor im Evangelischen Kirchenkreis Wuppertal

Foto: kirchenkreis wuppertal

„Fußball, englisch football, ist ein Spiel zwischen zwei Parteien mit mehreren Personen; jede Partei versucht einen Ball nur mit den Füßen auf das Gebiet der Gegenpartei zu schleudern“. Am Ende des Spielfeldes „befindet sich ein 6 Meter breites und 3 Meter hohes Tor.“ Es kämpfen „Spieler in beliebiger Zahl darum, eine mit weichem Leder überzogene Ochsenblase über ein Seil hinwegzuschleudern, wobei sie sich aber nur der Füße bedienen dürfen.“

So ist es in drei auflagestarken Lexika des ausklingenden 19. Jahrhunderts nachzulesen. Immerhin, die Hüter enzyklopädischen Wissens hatten den „Fussball“ vor etwa 130 Jahren schon auf dem Schirm, auch wenn die Autoren mit bedauernswerter Unkenntnis geschlagen waren. Fake News gab es schon lange, bevor das Internet das Leben der Menschen einnahm. Die Texte waren ja auch eher für die „Oberschicht“ bestimmt und dieser Oberschicht war der rohe Inselsport fremd. Staatstragendes Turnen in Reih- und Glied war angesagt – besonders an den Schulen, die allenfalls „Leibesübungen“, aber keine Mannschaftssportarten zuließen.

1894 schrieb ein Turnprofessor: „Wer den Fußball von englischen Sportsmännern hat vorführen sehen und es nun unserer Schuljugend einüben wollte, der würde gewiss gerechten Anstoß erregen. Doch dürfen wir überzeugt sein, dass das Spiel in Deutschland bald ein unserem Volk entsprechendes Gepräge erhalten wird, und dass die Spielleiter alles Undeutsche fernzuhalten bestrebt sein werden.“ Gemeint war vor allem auch der „rüde Ton“, der am Rande des Spielfelds und auf demselben zu hören war. Ein Major im Kriegsministerium schrieb: „Nur wenn sich ausnahmslos ein vornehmer Ton bemerkbar macht“, werde „dieser Zweig der Körperübung“ Anerkennung finden.

Nun denn. Es kam anders. Zum Glück. Der vermeintlich „undeutsche“ Fußball hat sich zu einem völkerübergreifenden und -verbindenden Spiel entwickelt. Die kommerziellen Exzesse und alles Negative, was auch zu sagen wäre, blende ich bewusst mal aus.

Fußball kann so viel mehr sein als ein Spiel. Er sozialisiert Menschen. Er übt Regeln ein. Er lässt Nationalität, Religion und soziale Herkunft hinter einer bestimmten Fähigkeit zurückstehen, die in ein Team eingebracht wird. Er verbindet Genialität und Fleiß und lässt sie zusammenspielen. Er ist ein wunderbares Gemisch aus Taktik, Plan und freiem Geist, aus Disziplin und Kreativität. Der ausgefahrene Ellenbogen bringt keinen Vorteil, sondern wird abgepfiffen. Er ist ein „Foul“, übersetzt: „schlecht“, weil er das Recht des Gegenspielers verletzt. „Schlagen“ darf ich ihn nur mit Mitteln, die ihm nicht schaden. Es gibt keine „Feinde“, hoffentlich, sondern „Gegner“.

So militärisch die Sprache im Fußball ist, wo „geschossen“ wird und „echte Granaten abgefeuert“, wo „Verteidigung“ und „Angriff“ auf dem Feld stehen, wo manche „Schlacht“ geschlagen wird und ein „Bomber der Nation“ in Ehren gehalten – der Fußball ist so etwas wie ein Gegenentwurf zu einem regellosen und ewigen Krieg. Der „Kampf“ geht 90 oder 120 Minuten „bis zum Umfallen“, dann ist er aber auch entschieden und vorbei. Nach dem „Sieg“ gehen die „Sieger“ auf die „Verlierer“ zu. Man feiert ausgelassen oder weint bitterlich und erkennt die Leistung des anderen an, gratuliert und tröstet.

Wunderbar, wenn das auf und auch neben dem Platz passiert. „Fans“ schreien sich die Seele aus dem Leib, identifizieren sich zu 100 Prozent mit „ihrer“ Mannschaft, die alles gibt, und nach Abpfiff weiß man sich um eine gemeinsame Erfahrung reicher. Man feiert oder trauert und wenn es richtig gut läuft, macht man das sogar zusammen und stößt auf einen wunderbaren Sport an, der verbindet.

„Freut Euch mit den Fröhlichen und weint mit den Weinenden und soweit es an Euch ist, haltet Frieden mit jedermann“ (vgl. Römer 12,14.18). Der Apostel Paulus hatte noch nichts mit Fußball am Hut, noch weniger als die Fake-News-Produzenten der Wissenssammlungen vor 130 Jahren. Sein Rat für das Zusammenleben passt trotzdem – nicht nur zur EM, bei der man das wunderbar üben kann. In einer so multinationalen Stadt wie Wuppertal besonders.