Rebekah Rota im Gespräch Wuppertaler Oper: Doppelabend überrascht als überregionaler Erfolg
Wuppertal · Rebekah Rota schaut auf ihre erste Spielzeit als Intendantin der Wuppertaler Oper zurück: Zwischen überregionaler Aufmerksamkeit und erhöhter Reichweite in die Stadt hinein
Zwei Begriffe fallen ihr sofort ein, wenn sie an die endende Spielzeit, ihre erste an der Oper Wuppertal, denkt: Dankbarkeit und Rührung. Intendantin Rebekah Rota dankt ihren Mitarbeitern, die sich als „talentierteste und disziplinierteste Mannschaft“ erwiesen haben, „die ich in Deutschland erlebt habe“. Sie haben gemeinsam Großes geschafft und brennen noch für das Theater. Das Publikum wiederum hat die gebürtige US-Amerikanerin berührt, weil es ihr bei jeder Vorstellung mit Offenheit und Wärme entgegengekommen sei und die Bereitschaft gezeigt habe, mitzugehen. „Unser Spielzeitangebot wurde insgesamt gut angenommen.“ Die Zuschauerzahlen werden gerade noch ermittelt, die aufsteigende Tendenz ist klar erkennbar.
Zwei Produktionen waren besonders erfolgreich und erreichten zugleich zwei Ziele, die sich Rebekah Rota für ihre Intendanz vorgenommen hat: Der Doppelabend „Erwartung/Der Wald“, der aus künstlerischer Perspektive „absoluter Höhepunkt für Haus und Orchester“ war und einen, auch überregionalen Überraschungserfolg landete. Er steht für das Anliegen, hohe Qualität mit ungewöhnlichem Material zu verbinden. Sowie die „Cinderella“-Produktion, die ein breites und zum Teil auch anderes Publikum erreichte – und so die Tür zu Menschen öffnete, die sonst nichts mit Oper zu tun haben.
Auch der Auftakt, die Oper „Angel’s Bone“, die in der Alten Glaserei aufgeführt wurde, weil die Opernbühne saniert werden musste, sei super angenommen worden. „Angel’s Bone“ der 46-jährigen Chinesin Du Yun steht für einen weiteren Baustein in Rotas Konzept, den, zeitgenössische Oper eines international agierenden Komponisten zu einem wichtigen Thema aufzuführen: Ein Risiko, aber die Aufführung kam an, bis heute werde sie darauf angesprochen. „Wir haben sogar eine Anfrage für die Inszenierung vom Amsterdamer Concertgebouw erhalten.“
Kritisch sieht sie das Tempo, mit dem sie ihre Vorhaben angegangen sei, die sie in ihren fünf Jahren in Wuppertal realisieren will „Ich habe mir viel vorgenommen, war innovativ, auch hinter der Bühne“, erzählt sie. Einerseits sei es gut, dass alles angestoßen worden sei, aber: „Es ist unmöglich, alles mit gleicher Intensität zu machen“. Also müsse sie Prioritäten setzen und vielleicht auch etwas weglassen, um effektiver zu sein. Ein Beispiel: „Die wie vor hundert Jahren organisierten Produktionsprozesse in der Oper zu optimieren und zu modernisieren, IT und Wirtschaftsprozesse anzuwenden“, brauche Zeit und kleinere Schritte. “Wir müssen die Timelines ausdehnen.“
Zeit brauchte auch das neue, wörtlich zu verstehende Format „Wein und Gesang“, das sich mit Unterstützung der Concordia gut entwickelt habe. Nun, da es sich etabliert habe, müsse es gefestigt und weitergegeben werden. Auf gutem Weg sei der Opernclub, in dem Kinder- und Jugendclub fusionierten. Die Mitarbeiterinnen Eva Caspari, Maria Stanke und Sophie Künnecke hätten wunderbare Arbeit geleistet, die Gruppe vergrößert. Die Nachfrage sei groß, langfristig solle eine eigene Produktion auf der großen Bühne realisiert werden. Die Mitwirkung in Opernchorkonzerten sowie Hänsel und Gretel in der nächsten Spielzeit seien gesetzt.
Die Nachhaltigkeit beschäftigt alle Theater Deutschlands, also auch die Wuppertaler Oper. Eine Blaupause für den richtigen Weg gibt es nicht, wohl aber erste Erkenntnisse: Den größten Emissionsanteil hat das Publikum, dabei sei im Ticket die Anreise mit dem ÖPNV enthalten, wirbt Rota. Das Pilotprojekt „Lego trifft Ikea“, das mit einem wiederverwendbaren modularen Baukastensystem auf der Bühne arbeitet, kam in der „Cinderella“-Produktion zum Tragen und bei der letzten Premiere der Spielzeit „Die lustigen Weiber von Windsor“. Fortsetzung folgt in 2024/25 bei der Inszenierung der Oper „Faust“. Das Projekt ist eines von zweien in ganz Europa, erfährt entsprechend viel Aufmerksamkeit, wird aus Skandinavien oder Frankreich angefragt.
Zeit brauchte schließlich das Ensemble, das Rota fast vollständig neu aufgebaut hat. Seit Januar sind wieder sechs Sänger am Haus, „alles tolle Leute“, die Zusammenarbeit entwickle sich gut, man wachse zusammen. Zwei weitere sollen über Teilzeit hinzukommen, „sodass es aussieht, als hätten wir acht“, was freilich immer noch zu wenige seien.
Und noch eine Erkenntnis hält der Rückblick bereit: Bei der Planung der Aufführungstermine müssen Feiertage berücksichtigt werden. Die nämlich führen dazu, dass eine einmal ausverkaufte Produktion wie „Cinderella“ plötzlich weit weniger Zuschauer anlockte. Freilich sind der Intendantin dabei weitgehend die Hände gebunden: Die Belegung der Oper muss mit Tanztheater, Sinfonieorchester und Schauspiel abgestimmt werden. In ihrer Hand hat sie dagegen die Förderung von Frauen in der Oper, was sich bei der Stücke-Auswahl und der Besetzung bemerkbar machte.
Man darf auf die zweite Spielzeit gespannt sein.