Freies Netzwerk Kultur Wuppertaler Kulturkolumne: Paradoxer Kunsthandel mit Bananen

Wuppertal · Wird die Kunst bald im Verhältnis zu ihren Ansprüchen scheitern?

Tine Lowisch.

Foto: CLAUDIA SCHEER VAN ERP

Drei Dinge würde ich noch greifen, wenn ich überstürzt mein Zuhause verlassen müsste: Das Stammbuch der Familie, die fulminante Handzeichnung von Martin Kippenberger, mit der der Künstler dem Buchhändler Walther König aus Köln einst ein paar Gläser Wein bezahlte, und tatsächlich eine Rolle Gaffa-Band. Mit dem Stammbuch könnte ich nachweisen, dass wir als Künstlerhaushalt existierten. Mit dem Versilbern des Kippenbergers könnten wir verschwinden, und das Gaffa-Tape ließe sich vielfältig einsetzen, um für seltene Momente der Stabilität zu sorgen.

Wobei ich mich mit dem Gaffa-Tape in der Hand frage, warum eine an die Wand geklebte, essbare Banane einem Käufer auf einer Kunstauktion Millionen wert ist. Wahrscheinlich weil der Wert einer Ware nur noch durch Bedürfnisse und Nachfrage bestimmt wird. Das ist jetzt erwiesen, da eine echte Banane, eine, die entsteht und vergeht, den Geldwert einer abstrakten Vorstellung durch Weitergabe manifestierte. Ich kann mir Wert und Wertigkeit eines, laut Käufer, wichtigsten Kunstwerks der Welt, nur noch erklären bei folgender Erzählung. Wäre die an die Wand geklebte Banane von Maurizio Cattelan das tatsächlich letzte Essbare auf einem von falschem Wachstumsparadigma zerstörten Planeten, wäre sie mir vielleicht auch Millionen wert. Diese Überlegung ist natürlich müßig, denn schon sehr bald wachsen ja gar keine Bananen mehr. Und diese letzte, durch Zertifikat millionenschwere, essbare Banane von Cattelan wäre dann also die auswechselbare Stellvertreterin für ein Original, denn eine essbare Banane gleicht der anderen genetisch aufs Haar. Sie ist ein klassisch paradoxes Artefakt, das die Kunstwelt zum Beispiel an Andy Warhol erinnert und mich an die Auswirkungen von Monokulturen. Gedanklich zwischen Dollar-Bananen und Euro-Bananen wechselnd kommt mir da auch noch der Bananensprayer in den Sinn. Ein feines Beispiel für künstlerischen Aktivismus.

Der Künstler Baumgärtel markiert seit Jahrzehnten mit seinem Bananenmotiv relevante Erscheinungsstätten der ständig nachwachsenden Ressource der menschlichen Fantasie. Zunächst brachte er seine gesprayte Banane zum Beispiel an Off-Spaces an. Als das markante Motiv sich als Prädikat durchsetzte, auch an Eingängen zu etablierten Kunstvereinen oder auch Museen. Worauf der Künstler besonders stolz ist, ist dass der Kollege Maurizio Cattelan eine seiner essbaren Bananen tatsächlich sogar einmal über eine der Baumgärtel-Bananen geklebt hat. Da war die Welt, wie wir sie kannten, noch in Ordnung und der Künstler stolz. Seit die Welt nicht mehr in Ordnung ist, kleben sich Aktivistinnen und Aktivisten verzweifelt auf den Straßen fest oder bewerfen gut geschützte Ikonen in Museen mit Kartoffelbrei (ohne, dass diese dadurch beschädigt würden).

Mit solchen Aktionen stoßen sie in weiten Teilen der Bevölkerung auf Unverständnis und werden für diese revolutionären Performances des zivilen Ungehorsams sogar strafrechtlich verfolgt. Schlimm oder mutig? Ich würde mich noch nicht einmal trauen, an einem „Betreten verboten“-Schild vorbei über einen wackeligen Zaun zu klettern. So lange also auch der Kulturbetrieb noch immer nicht klimaneutral, geschlechtergerecht, lohngerecht oder für alle zugänglich ist, obwohl der Kulturbetrieb unter anderem dafür zuständig ist, für ein solidarisches Miteinander, als Basis für Debatten zu werben, bleibt es dabei. Es bleibt bei widersprüchlicher, künstlerischer Praxis und es bleibt bei dem Anspruch, im Verhältnis zur selbstgestellten Aufgabe nicht zu scheitern.