Spielstätte Müllers Marionettentheater verabschiedet sich mit Verkaufsbasar
Wuppertal · Der Vorhang ist für die Weißenborns gefallen. Viele ehemalige Besucher schwelgten in Erinnerungen.
Es ist das vertraute Bild: Jung und Alt warten vor Müllers Marionettentheater, um eingelassen zu werden. Familien stehen zusammen, Großeltern halten ihre Enkel an der Hand. Alle wissen, dass es hier kein Puppenspiel mehr zu sehen gibt. Aber sie sind neugierig auf den Abschieds-Basar, mit dem Ursula und Günther Weißenborn den Theaterbetrieb beenden – nach stolzen 37 Jahren.
„Ein Traum!“, meint Maria Fernandez, als sie den Theatersaal betritt. Auf der Bühne steht das Set der „Bremer Stadtmusikanten“, reich ausgestattet mit Märchenfiguren und Kulissen. Im Eingangsbereich schweift ihr Blick über die aufgereihten Puppen, die mit Preisschildern beklebt sind. Sie kauft schließlich zwei Zwerge aus dem „Schneewittchen“-Stück. „Ich möchte sie meinem Enkelkind schenken“, erklärt die Wuppertalerin.
Eine andere Besucherin hat einen Stoß Postkarten erworben – am Stand mit Geschenkartikeln, bei dem es Karten zu so ziemlich allen Produktionen der Weißenborns gibt. Sie findet es traurig, dass es das Marionettentheater bald nicht mehr geben wird. Mit den Fotokarten kann sie wenigstens ein Andenken mitnehmen.
Martin und Sieglinde Haase aus Remscheid schauen sich die Kulissenteile an, die im Foyer zum Verkauf stehen. Ein schlankes Holzpferd hat es ihnen angetan. „So was können wir als Dekoration gebrauchen“, sagt Sieglinde Haase, die mit ihrem Mann ein Papiertheater betreibt. Zwar sei der Rappen für die Mini-Bühne zu groß. Doch werde er sich gut auf der Terrasse machen, wo das Ehepaar wegen Corona Open Air-Aufführungen macht.
Wer vom Basar etwas mitnehmen will, muss sich zügig entscheiden. Das Hygiene-Konzept sieht vor, dass jede Besuchergruppe jeweils eine halbe Stunde Zeit hat. Auch Interessenten, die nach den offiziellen fünf Stunden vorbeischauen, gibt Günther Weißenborn eine Chance. „Wir können das Theater bis zum Abend offen halten“, sagt er. „Aber dann ist Schluss.“
Ohne die Pandemie hätten die beiden Theatermacher nicht ans Aufhören gedacht. Während des Lockdowns haben sie mehrere Pläne entwickelt, um den Fortbestand des Marionettentheaters zu sichern. Günther Weißenborn hatte dabei auch auf Unterstützung durch die Stadt gehofft. Doch sieht er mittlerweile ein, dass es in der Corona-Situation kaum finanzielle Spielräume gibt. Immerhin hat er einen Nachfolger im Auge, der die Theater-Tradition am Neuenteich weiterführen möchte. „Es bleibt ein geistiger Raum. Bis Ende September soll die Sache endgültig geklärt sein.“
Die Weißenborns selbst wollen auf gar keinen Fall in den Ruhestand gehen. Sie haben nicht nur einen Bestand von über 300 Puppen auf ihrem Dachboden eingelagert. Ursula Weißenborn hat sich zu Hause auch wieder ein Atelier eingerichtet. Die Malerei ist ihr wichtig wie eh und je, und sie plant bereits für Frühjahr 2021 eine Ausstellung. Auch die Stoffe und Schnittmuster, die sie zum Puppenmachen braucht, bewahrt sie auf. „Das muss ich noch mal neu denken“, betont sie.
Neue Puppen könnten gebraucht werden, da ihr Ehemann weiter an Bühnenprojekten arbeitet. Gemeinsam mit einem Komponisten soll ein Musiktheaterstück entstehen – in der Art der Familienkonzerte, mit der sein Marionettentheater in den vergangenen Jahrzehnten bundesweit unterwegs war. Gleichzeitig denkt der Dramaturg an „ein reines Theaterstück“: „Es will geschrieben werden. Ideen habe ich genug.“