90 Jahre Wuppertal Wuppertaler Originale: Husch-Husch, Mina Knallenfalls und der Zuckerfritz

Die beiden Hausierer und die literarische Figur des Dichters Otto Hausmann sind mit Statuen im Stadtbild verewigt.

Paul Decker an der Statue von Husch Husch.

Foto: JA/Fischer, A. (f22)

Einen großen Bahnhof gab es jetzt für „Husch-Husch“, das Barmer Original. Mit munteren Liedern und Texten, dem „Husch-Husch-Gedöns“, gedachte man seiner zum sechsten Mal auf dem Barmer Werth, gegenüber der Statue, die der gleichfalls anwesende Künstler Klaus-J. Buhrandt gestaltet hatte. Sie zeigt Peter Held, so „Husch-Huschs“ bürgerlicher Name, mit einem eher gutmütigen Gesichtsausdruck.

Dabei war der Mann mit dem zotteligen Bart, dem wehenden Mantel, dem zerbeulten Filzhut und dem Margarine-Karton, aus dem er Kurzwaren zum Verkauf anbot, alles andere als ein Charmebolzen. Meist schlechtgelaunt begann er seine Tour, die ihn von Wichlinghausen bis nach Heckinghausen führte. Unterwegs abgepasst von den „Blagen“, die den gehbehinderten Mann nach Herzenslust ärgerten. Was Schimpfkanonaden auslöste, die jedoch mit höhnischem Gelächter quittiert wurde.

Die Gründung der
Stadt Wuppertal miterlebt

Peter Held ist eines der Wuppertaler Originale, von denen jedoch nur er die Gründung der Stadt Wuppertal selbst erlebt hat. Vom 2. August 1886 bis zum 28. November 1953 lebte der Hausierer, Tippelbruder und Stadtstreicher mehr schlecht als recht und hatte neben den „Blagen“, von denen zwei, nämlich Wolfgang Meyer (87) und Ingo Gehring (83), zum von der ISG Barmen initiierten „Gedöns“ gekommen waren, zwei weitere Feindbilder: Die Polizei, die er respektlos mit „Pannasch“ titulierte, und während der Nazi-Diktatur die „Braunen“.

Zwar bescheinigten die ihm Schwachsinn, doch wenn er Lokale betrat, dann pflegte er mit „Heil Hitler und Guten Tag für die Andersgläubigen“ sinnig zu grüßen. Und dass er einmal auf dem Alten Markt lauthals gerufen hatte: „Vie bruken kinnen Führer mehr“ (wir brauchen keinen Führer mehr ) und von den Ordnungshütern zur Rede gestellt, treuherzig erklärte „Vie hant doch schon eenen“ (wir haben doch schon einen), dürfte auch Zweifel an „Husch-Huschs“ Einfalt aufkommen lassen.

Er überlebte Krieg und NS-Regime und starb 1953 im Landeskrankenhaus in Langenfeld gesundheitlich stark angeschlagen im Alter von 67 Jahren. Klaus Prietz, einer der Initiatoren des Denkmals, die „Wuppertaler Drehmomente“ Christel und Wilfried Reichelt und natürlich Paul Decker gedachten des Originals musikalisch vor dem Bronze-Husch-Husch, der persönlich noch einigen alten Wuppertalern in Erinnerung ist.

Das trifft auf zwei weitere Originale, die in der Elberfelder Innenstadt auch durch eindrucksvolle Statuen verewigt sind, nicht zu: Mina Knallenfalls und der „Zuckerfritz“. Während der „Zuckerfritz“ am 20. September 1830 als Friedrich Poth zur Welt kam, taucht der Name von Mina Knallenfalls in keinem Register auf. Es hat sie nämlich nie gegeben.

Die dralle Frauengestalt, eine von der Bildhauerin Ulle Hees geschaffene Bronzestatue, begrüßt die Besucher und Einheimischen an der Alten Freiheit und erfreut sich allenthalben großer Beliebtheit. Geschaffen wurde sie als literarische Gestalt von dem Mundartdichter Otto Hausmann. 1870 schrieb Hausmann die „Lewensgeschichte vam Mina Knallenfalls van äm selwer vertault.“

Ein Stück Folklore. Humorvoll wird das Leben im Armenviertel am Rande der Wupper geschildert. Eher Galgenhumor, denn Krankheit, Ungeziefer, Alkoholismus und Prügeleien bestimmten das Umfeld von Minas Leben, das wohl auf den in Mundart-Reime gefassten Erinnerungen von Mina Maas, der Großmutter von Otto Hausmann, beruht. Ein Kulturdokument, das Hausmann, zwischenzeitlich ein anerkannter Schriftsteller, lange verleugnete. Wenig begeistert reagierte er darauf, dass der mit ihm befreundete Verleger Heinz Born das Manuskript veröffentlichen wollte. Zunächst anonym erschienen, wurde das Werk erst anlässlich seines 100. Geburtstages dem Heimatdichter zugeordnet.

Wolfgang Winkelsen, der zusammen mit Klaus-J. Burandt das Buch „Liebenswerte und andere Wuppertaler Originale“ geschrieben und gestaltet hat, berichtet, dass die für Mundartunkundige kaum verständlichen Verse von Lore Duwe 2007 ins Hochdeutsche übersetzt und damit einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sind.

„Zuckerfritz“, der zusammen mit seiner Schubkarre als Bronze-Statue den Eingang zur Fußgängerzone am Neumarkt ziert, war selbständiger „Spediteur“. Nämlich alleiniger Inhaber eines „Schuffkarunternehmens“ Ein hagerer, hochaufgeschossener Mann mit Militärschirmmütze und durchaus gepflegter Kleidung und einem seidenen Halstuch.

Die Vorliebe für Süßigkeiten brachte den Spitznamen

Mithilfe seiner Schubkarre erledigte er zuverlässig Kleintransporte. Da er auch über ein freundliches Wesen verfügte, hatte er in Firmen, Geschäftsleuten, aber auch normalen Haushalten bald einen festen Kundenstamm. Wegen seiner Diskretion setzten ihn Verliebte auch gern als „Postillon d`Amour“ ein. Neben dem ausgezahlten Lohn freute sich Friedrich Poth auch über Süßigkeiten, was ihm den Namen „Zuckerfritz“ einbrachte. Ausgelassene, offenbar leicht alkoholisierte Herren engagierten ihn dann auch mal als Taxi, indem sie sich von ihm per Schubkarre durch die Gegend kutschieren ließen.

Als es mit seinen Körperkräften bergab ging und er die physisch anstrengenden Aufträge nicht mehr erledigen konnte, erlebte Zuckerfritz auch finanzielle Not. Er starb am 9. Mai 1906 im Alter von 75 Jahren im Krankenhaus am Arrenberg.

Ihm wurde nicht nur mit seinem Bronze-Ebenbild am Eingang zur Poststraße ein Denkmal gesetzt. Der Juwelier Abeler ließ Zuckerfritz und dessen Kollegen, den „Schubkarrenspediteur“ August Kallenbach, als Figuren seines Glockenspiels in der Poststraße viele Jahre stündlich die Runde drehen. Ein Schauspiel, für das jeweils viele Passanten stehen blieben oder sogar eigens in die einstige prachtvolle Geschäftsstraße gekommen waren.

„Äu“ Kallenbach, ein „Bläuken, wie damals die Rothaarigen genannt wurden, wurde am 28. Februar 1838 geboren. Kallenbach war nicht nur mit seiner „Schufkar“ unterwegs, sondern verfügte mit seinen O-Beinen über großartige Kletterkünste. Bei mit Seife eingeschmierten Kletterbäumen setzte er sie gewinnbringend ein und heimste in luftigen Höhen von sechs Metern aufgehängte Preise ein. Auch beim „Esel-Rodeo“ mit einem auf Krawall dressierten Grautier behielt „Äu“ die Oberhand. Als „Lumpensammler“ starb das Elberfelder Original knapp 70-jährig in der Heil- und Pflegeanstalt Galkhausen.

Viele Originale wie die „Schmeeremma“, den Totengräber Schumacher, den „Spökenkieker“, den „fulen Äu“ oder die „Wittib Hammerstein“ haben Wolfgang Winkelsen und Klaus J. Burandt in ihrem in der Edition Köndgen erschienenen Band anschaulich und unterhaltsam porträtiert.

Gibt es solche Originale heute noch? Eher nicht, sieht man mal von dem 1993 gestorbenen Hans „Ötte“ Geib ab, der im Wuppertaler General Anzeiger allwöchentlich die Kolumne „Hie kallt Ötte“ verfasste. Oder vielleicht „Striekspöen“-Frontmann Paul Decker, der auch zum Gedenken an „Husch Husch“ zum “Gedöns” auf dem Werth erschienen war und auf Festen mit seinem unnachahmlichen „Anton von de Gathe“ begeistert.