Welche Situation haben Sie vor sechs Jahren in Oberbarmen und Wichlinghausen vorgefunden?
Interview „Die Menschen leben hier sehr gerne“
Wuppertal · INTERVIEW Nina Schuster hat sechs Jahre lang die Entwicklung in der „Sozialen Stadt Oberbarmen/ Wichlinghausen“ als Quartiermanagerin mitgestaltet.
Nina Schuster: Einerseits ist mir mit Blick auf den Stadtteil eine wunderschöne Bausubstanz aufgefallen. Gerade in Wichlinghausen haben wir sehr schöne Altbauten aus der Gründerzeit und schöne Fachwerkhäuser. Das ist das, was das Stadtbild in Wichlinghausen ausmacht. Was ich aber noch viel wichtiger finde, ist die menschliche Komponente. Sehr schnell war mir klar, dass hier sehr viele Bürger und Bürgerinnen wohnen, die schon lange im Quartier leben und sich sehr engagieren für ihren Stadtteil, zum Beispiel gemeinsam Feste oder Saubermach-Aktionen im Stadtteil organisieren. Das macht den Stadtteil lebenswert. Die Menschen leben hier sehr gerne und identifizieren sich mit dem Stadtteil.
Dann haben Sie ja quasi gute Voraussetzungen für Ihre Arbeit vorgefunden?
Schuster: Wir hatten wirklich schon eine Struktur, an die wir anknüpfen konnten. Dabei möchte ich den Bürgerverein „Wir in Wichlinghausen“ hervorheben, in dem sehr viele engagierte Leute aktiv mitwirken, die wirklich schon sehr lange im Quartier leben. Das ist wirklich das Schöne, wenn man so eine Struktur schon hat und sie nicht erst aufziehen muss. Das hat uns die Arbeit im Quartierbüro sehr erleichtert.
In welcher Weise?
Schuster: Das ist wichtig, weil es wirklich Projekte sind, die von der Bürgerschaft durchgeführt werden. Wir hatten zum Beispiel ein Lichterfest, das von dem Verein „Wir in Wichlinghausen“ organisiert wurde. Das ist schön, dass das Fest nicht von außen an die Menschen herangetragen wird, sondern dass die ganzen Ideen und Vorstellungen von den Bürgern kommen. Die wissen am besten, was ihre Bedürfnisse und Wünsche sind und deswegen ist das unterstützenswert. Wir haben im vergangenen Jahr eine Umfrage gemacht und haben Menschen auf der Straße gefragt, was sich die Menschen im Stadtteil wünschen, wo sie besonders gerne hingehen und wo sie sich nicht so gerne aufhalten. Wir wollten herausfinden, was die Menschen an der Basis bewegt.
Stichwort „nicht gerne aufhalten“: Im Rahmen des Programms „Soziale Stadt“ soll der Berliner Platz umgestaltet werden. Wie nehmen die Menschen im Stadtteil den Platz wahr?
Schuster: Der Berliner Platz wird vor allem als Ankunftsort wahrgenommen. Man kommt mit der Schwebebahn, mit Zügen und Bussen an und hält sich dort auf, um sich in der Stadt weiter zu verteilen. Dass er jetzt so extrem negativ von den Bürgern wahrgenommen wird, können wir so gar nicht bestätigen. Das ist hauptsächlich der Blick von außen. Was sich aber viele wünschen, ist mehr Aufenthaltsqualität auf dem Berliner Platz. Dass man dort verweilen kann und den Platz zurückgewinnt. Bei der Befragung sind aber auch Orte herausgekommen, die besonders positiv bewertet werden, wie zum Beispiel die Nordbahntrasse und der Nordpark. Der Park ist ja durch die Umgestaltung und die Fördergelder unglaublich erholsam geworden. Es ist sehr schön, dass man die Bestätigung bekommt, dass die Orte genutzt werden, die mit viel Geld aufgewertet wurden.
Gibt es Projekte in ihrer Amtszeit, an denen sie messen können, das sich etwas bewegt hat?
Schuster: Da möchte ich zwei Dinge hervorheben. Zum einen moderieren wir vom Quartierbüro VierZwoZwo die Stadtteilkonferenzen, die ein schönes Medium sind, aktive Menschen zusammen zu bringen. Daraus haben wir ein gutes Format entwickelt, das im vergangenen November mit 100 Teilnehmern eine Rekordbeteiligung hatte. Dabei konnten die Menschen aus dem Viertel auf einem „Markt der Möglichkeiten“ ihre Projekte vorstellen. Die Teilnehmer konnten dabei von Stand zu Stand gehen und sich vernetzen. Auf diese Veranstaltung haben wir unglaublich positive Resonanz beklommen. Das andere Projekt, das wir zusammen mit der Stadt Wuppertal und mit der jetzt aufgelösten Quartiersentwicklungsgesellschaft initiiert haben, sind die Eigentümer-Foren. Bei dieser Veranstaltung geht es darum, Hinweise zu geben, wo man Fördermöglichkeiten bekommen oder was man tun kann, um lange leerstehende Wohnungen wieder zu vermieten.
Was hat sich in den vergangenen sechs Jahren verändert?
Schuster: Als wir angekommen sind, waren viele Häuser in einem schlechten Zustand. Die Bausubstanz war zwar gut, aber viele Fassaden benötigten einen neuen Anstrich. Im Rahmen des Programms „Soziale Stadt“ gibt es eine 40/60-Förderung, um die Fassaden neu gestalten zu können, was in Anspruch genommen wird. Es gab auch viele Einrichtungen, die sich engagiert haben. Wir vom Quartierbüro haben aber viel für die Vernetzung untereinander getan, unter anderem durch die Stadtteilkonferenzen.
Wo gibt es noch Bedarf, etwas zu tun?
Schuster: Es ist wichtig, dass es weitergeht. Wir haben unglaublich viele Bedarfe. Es gibt einen hohen Anteil an Sozialhilfeempfängern, wir haben sehr viele Menschen, die unterhalb der Armutsgrenze leben und viele kinderreiche Familien in kleinen Wohnungen. Da gibt es auch den Bedarf, dass es mit dem Förderprogramm Soziale Stadt in den nächsten Jahren weitergeht – gerade im sozialen Bereich. Mein Wunsch ist, dass sich das Bild des Wuppertaler Ostens in der Gesamtstadt ändert und dass die Menschen weiterhin so engagiert bleiben.