Die WZ sprach mit ihm über seinen kreativen Prozess Wuppertaler Schriftsteller Michael Zeller feiert seinen 80. Geburtstag
Wuppertal · Für seine Leidenschaft, Neugierde, empfindsames Wahrnehmungsvermögen und scharfsinnigen Blick wurde er mehrfach ausgezeichnet.
„Ich will aus einem Buch ein Stück Welt und Leben erfahren. So wähle ich Bücher zum Lesen aus und so schreibe ich sie auch“, lässt Schriftsteller Michael Zeller in seine Philosophie der Dichtkunst einblicken. Leidenschaft, Neugierde, ein empfindsames Wahrnehmungsvermögen und ein scharfsinniger Blick für seine Umwelt zeichnen sein literarisches Talent aus – der mit mehrfachen Preisen ausgezeichnete Dichter wird heute 80 Jahre.
Michael Zeller ist Realist und das spiegelt sich auch in seinen Werken wider, denn „für Tagträume und realitätsferne Wunschvorstellungen hatte ich zeitlebens wenig übrig. Ich bin ein Träumer, wenn ich durch das Leben laufe, aber beim Schreiben bin ich an die Realität gebunden.“ Was treibt die Menschen an? Welche Geschichten verbergen sich hinter den Gesichtern und was gibt es in den Ländern dieser Welt zu entdecken? Fragen wie diese begleiten Zeller auf seinen Reisen durch die Welt und bei seinem Schreibprozess. „Ich halte fest, wie es in der Welt aussieht, damit die Menschen in hundert Jahren einen Eindruck bekommen, wie es zum Beispiel in Wuppertal aussah“, beschreibt Zeller seine Intention.
Romane, Erzählungen, Gedichte und Essays. Mit Michael Zellers Worten tauchen Leser in seine Erfahrungen von Ländern, Menschen und Kulturen ein. Ein klar erkennbarer Schwerpunkt liegt auf Osteuropa, denn der Schriftsteller hat eine Verbindung insbesondere zu Polen und zur Ukraine.
„Man muss in einem Land leben, um es zu erfahren“
„Ich bin im Westen großgeworden und von Stadt zu Stadt gezogen“, erinnert sich Zeller an seine Reisen durch Europa. Durch diverse Stipendien war es ihm möglich, zu reisen und mal hier und mal dort zu leben. „Man muss in einem Land leben, um es zu erfahren.“ Auch später sind die Ideen für seine Werke oftmals auf seinen Reisen entstanden, die er als festen Bestandteil seines Arbeitsalltages etablierte.
„Den Osten habe ich nicht vermisst“, schließlich konnte Zeller ansonsten überall hinreisen, wohin es ihm beliebte. Als der „Eiserne Vorhang“ fiel, stand dem reisenden Schriftsteller erstmals Osteuropa frei, woraufhin seine Neugierde ihn gleich nach Polen führte. „Ich habe nie gewusst, wie nah es mir war, aber erst durch die Erfahrung von Osteuropa wurde ich ein vollständiger Mensch“, gesteht der gebürtige Breslauer, der sein Geburtshaus in der polnischen Großstadt mit über vierzig Jahren zum ersten Mal betreten konnte.
1944 hat er mit nur drei Monaten seinen Geburtsort verlassen und wagte daher nie, von Breslau als seiner Heimat zu sprechen. „Irgendwann habe ich aufgehört, nach einer Heimat zu suchen. Erst als ich in Breslau war, erkannte ich: wenn dann dort.“ Heute bezeichnet sich Zeller selbst als Breslauer. Der Besuch in Polen markierte den Auftakt seiner Reisen nach Polen und in die östlichen Länder.
Viele Jahre vor Beginn des russischen Angriffskrieges hatte der Schriftsteller Verbindungen unterschiedlichster Art in die Ukraine. Bis heute hat er Kontakt zu Freunden und Kollegen in die Ukraine, die unter dem Krieg leiden. 2019 folgte Zeller der Einladung, den Herbst über in der ukrainischen Stadt Charkiw zu leben, die als Literaturresidenz gilt. „Das Schöne an dem Beruf ist, dass eben so etwas möglich ist.“ Das Werk „Die Kastanien von Charkiw. Mosaik einer Stadt“ ist in diesem Zuge entstanden, worin er seine Erfahrungen festhält.
Das Buch stand in der Ukraine schneller in den Läden als in Deutschland, „weil die Menschen hier vor dem Krieg keinerlei Interesse an der Ukraine hatten. Das hat vielen Menschen das Leben gekostet“, bedauert Zeller schmerzlich, der in die Krisengebiete gefahren ist und alles Erlebte schriftlich festgehalten hat.
Als kleiner Junge „musste ich mich selbst erfinden. Ich bin in einer männerlosen Familie groß geworden, ohne männliches Vorbild“, verrät der heute Achtzigjährige. Sein Glück sei es gewesen, zur Schule gehen zu dürfen. „Dafür hat sich meine Mutter aufgeopfert“, zeigt sich der Schriftsteller noch heute dankbar. Geschrieben hat Zeller schon immer gerne. Den Schubs in die Richtung gab ihm letztendlich seine Deutschlehrerin. In der Zeitung wurden die Namen der Absolventen mit ihren Berufswünschen veröffentlicht, unter seinem Namen las er den Wunsch „Schriftsteller“, den sie eigenständig hinzugefügt hatte.
Michael Zeller schreibt seit seiner Kindheit
Um an seinen Schreibfähigkeiten weiter zu feilen, entschied sich der Abiturient für ein literaturwissenschaftliches Studium in Marburg und in Bonn. Der ehemalige Literaturdozent der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und Literaturkritiker der Frankfurter Allgemeinen Zeitung löste sich von seinem festen Arbeitsplatz, um sich gänzlich der Dichtkunst zu widmen und seinen Jugendtraum zu realisieren.
Es war ein Sprung ins Ungewisse. 1982 wagte Michael Zeller den Schritt in das freie Schriftstellertum. Seitdem begleitet ihn das Motto: Lesen, lesen lesen. „Das ist meine Leidenschaft bis heute. Ich lebe und sterbe für die Literatur“, gesteht er.