Alt-Vohwinkel Kalender Als Wuppertal-Vohwinkel die „Vorteile der Großstadt“ mit den „Annehmlichkeiten des Landaufenthaltes“ verband
Wuppertal · Straßenbahn, Fachgeschäfte und Persil-Uhr
Er war schon vor über 100 Jahren eine gute Adresse. Der Stadtteil erlebte in der Kaiserzeit einen rasanten Aufstieg von einer verschlafenen Landgemeinde hin zu einem der wichtigsten Knotenpunkte im Bergischen Land. Ob Eisenbahn, Straßenbahn oder natürlich die Schwebebahn – alle bedeutenden Verkehrsmittel machten hier Station. Das führte zur Ansiedlung großer Seiden- und Wollwebereien, Färbereien und Maschinenfabriken. Auch als Sitz des Landratsamtes für den Kreis Mettmann und sämtlicher Kreisbehörden konnte Vohwinkel punkten. Davon zeugt ein Auszug aus dem „Kalender für das Bergische Land von 1914“. Dieser ziert wiederum das Titelbild des aktuellen Alt-Vohwinkel Kalenders für das kommende Jahr. So erfahren auch die heutigen Leser, dass der Wuppertaler Westen damals über „teilweise Kanalisation“ verfügte und den Bürgern eine Volksbücherei und Badeanstalt zur Verfügung stand. Vohwinkel verband nach Ansicht des Autors die „Vorteile der Großstadt mit den Annehmlichkeiten des Landaufenthaltes“. Als einer der „besuchtesten Ausflugsorte“ erfreute sich der Stadtteil auch bei Touristen großer Beliebtheit.
„Die Menschen waren damals durchaus selbstbewusst“, erklärt Herausgeber Hans-Jürgen Momberger. Der versierte Kenner der Lokalgeschichte hat für seine neue Kalenderausgabe wieder viele spannende Motive zusammengetragen. Von der besonderen Bedeutung als Verkehrsknotenpunkt zeugt auch ein altes Bild der Straßenbahn zwischen Gräfrath und Vohwinkel. Diese nahm Anfang 1899 ihren Betrieb auf und wurde nach der Eröffnung bereits viel genutzt. Allerdings überforderte sie offenbar so manchen Verkehrsteilnehmer. Gleich mehrfach gab es am Kaiserplatz Straßenbahnunfälle. „Bei einem dieser Vorfälle wurde leider auch die von den Vohwinkelern heißgeliebte ‚Persiluhr‘ in der Mitte des Platzes zerstört“, berichtet Hans-Jürgen Momberger.
Der Aufstieg Vohwinkels spiegelte sich auch architektonisch wider. Ende des 19. Jahrhunderts entstanden zahlreiche Gründerzeitvillen, die auch heute noch zum Teil das Stadtbild prägen. Im Kalender dokumentiert das eine historische Ansichtskarte der 1897 benannten Moltkestraße. Knapp 40 Jahre später wurde sie als Teil des Generalsviertels in Schlieffenstraße umbenannt.
Das Militär spielte in der Kaiserzeit grundsätzlich eine große Rolle. Ein vor 1893 entstandenes Bild zeigt den Aufmarsch des Vaterländischen Veteranenvereins auf dem damals noch unbebauten Gelände der Katholischen Kirche St. Mariä Empfängnis. Im Hintergrund sind die Häuser der Rottscheidter Straße zu erkennen.
Kalender erscheint
anlässlich des Festwochenendes
Auch aus der jüngeren „guten alten Zeit“ Vohwinkels hat der Kalender ein Foto zu bieten. Abgelichtet wurde ein Beratungsgespräch im Schuhhaus Schaller. Leider ist das Fachgeschäft wie viele andere inhabergeführte Läden schon lange geschlossen. Derzeit gibt es verschiedene Initiativen, um das Problem der Leerstände im Stadtteil anzugehen und den Bereich wieder attraktiver zu machen. Dazu gehört auch der Erhalt der historischen Fassaden.
Der beliebte Alt-Vohwinkel Kalender erscheint immer anlässlich des Festwochenendes im Wuppertaler Westen. Die erste Ausgabe gab es 2006 zum 650-jährigen Jubiläum des Stadtteils. „Damals fand sich niemand, der das wirtschaftliche Risiko übernehmen wollte, daher habe ich das einfach selber gemacht“, erinnert sich der Herausgeber. Die Sorge über mangelnde Abnehmer erwies sich als unbegründet, denn der Kalender war innerhalb kürzester Zeit ausverkauft. Durch die positive Resonanz entschied sich Hans-Jürgen Momberger dafür, auch in den Folgejahren historische Kalender herauszubringen. Diese erscheinen bis heute zum Selbstkostenpreis im Eigenverlag. So können sich die Vohwinkeler weiterhin über viele seltene Schnappschüsse freuen.