Im Gespräch Wuppertals Noch-Kämmerer Slawig: „Mir war wichtig, klug mit den Ressourcen umzugehen“ (mit Video)

Interview | Wuppertal · Der scheidende Kämmerer und Stadtdirektor Johannes Slawig sprach mit der WZ über Erfolge, Enttäuschungen und Zukunftspläne.

Johannes Slawig im Gespräch mit WZ-Redakteurin Katharina Rüth.

Foto: Fischer, Andreas H503840

Nach 24 Jahren als Kämmerer und Stadtdirektor in Wuppertal geht Johannes Slawig zum 1. November in den Ruhestand. Im WZ-Interview spricht er über seine Arbeit, die Sparpolitik und seine Pläne für den Ruhestand.

Herr Slawig, wie hat sich der Endspurt für Sie angefühlt?

Johannes Slawig: Ich blicke zurück mit Wehmut, aber auch nach vorn. Dass jetzt noch die Mitteilung von der Bezirksregierung kam, dass es gegen den Haushalt keine Einwände gibt, das ist noch mal eine schöne Erfahrung. Aber vieles ist nicht erledigt: Corona ist nicht vorbei, jetzt beginnt die Herbstwelle, der Ukrainekrieg mit seinen Folgen – da gehe ich mittendrin weg. Die Folgen der Flut sind von Seiten der Stadt weitgehend abgearbeitet, nur die Schäden in der Oper und in der Gesamtschule Barmen sind noch nicht behoben.

Wie sind Sie eigentlich nach Wuppertal gekommen?

Slawig: Ich war acht Jahre Beigeordneter in Paderborn, anfangs für Schule und Kultur, dann war ich zuständig für die Verwaltungsreform, gemeinsam mit externen Unternehmensberatern. Und dann wurde ich von Wuppertal aus gefragt, ob ich mich als Kämmerer bewerben will. Obwohl ich vier Jahre in Sprockhövel zur Schule gegangen bin, kannte ich von Wuppertal nur den Zoo und die Schwebebahn. Ich hatte dann noch eine andere Option, habe mich aber für Wuppertal entschieden.

Wie wird man denn als Geisteswissenschaftler Kämmerer?

Slawig: Ein Zahlenmensch war ich schon immer. Und ein geisteswissenschaftliches Studium ist eine breite Ausbildung. Ich war schon in Paderborn stellvertretender Kämmerer. Das ist eine Manager-Aufgabe, man muss Prozesse organisieren und führen. Für das Fachliche sind Mitarbeiter tiefer im Thema. Ich habe in Paderborn gemerkt, dass ich das kann und dass es mir Spaß macht. Kämmerer ist eine Querschnittsaufgabe. Dann ist auch Personal und Organisation dazugekommen, auch das hat mir Spaß gemacht.

Sie mussten während Ihrer gesamten Zeit als Kämmerer sparen.

Slawig: Wuppertal war seit 1992 in roten Zahlen, Ursache war vor allem der Strukturwandel. Dann kamen um 2000 die Einbrüche in der Gewerbesteuer durch die Unternehmenssteuerreform. Als wir uns gerade erholt hatten, kam die Finanzkrise 2008/2009. 2017 hatte Wuppertal das erste Mal seit 25 Jahren einen ausgeglichenen Haushalt. Das empfinde ich bis heute als Erfolg.

Geholfen hat dabei der Stärkungspakt.

Slawig: 2011 begann das Sanierungskonzept durch den Stärkungspakt des Landes, das haben wir mit allen Parteien ohne große Abweichungen umgesetzt. Wir haben mehr als 500 Millionen Euro Zuschüsse bekommen, mussten aber auch jedes Jahr 50 Millionen Euro einsparen. Dafür haben wir Grund- und Gewerbesteuer erhöht und Personal abgebaut, mussten unter anderem 2013 das Schauspielhaus schließen. Zum Schluss konnten wir sogar Eigenkapital aufbauen. Bis Corona war das eine Erfolgsgeschichte. Das ist meine größte Enttäuschung, dass nach diesem Aufwärtstrend wieder ein tiefer Einbruch kam.

Welche Sparmaßnahme ist Ihnen am schwersten gefallen?

Slawig: Die Schließung des Schauspielhauses. Das war die schwerste Entscheidung. Deshalb habe ich mich seitdem auch für das Tanztheater Pina Bausch eingesetzt. Das Haushaltskonzept war ausbalanciert, aber es hat schon wehgetan – vom Personalabbau bis zu den Schlaglöchern auf der Straße. Deshalb habe ich mich auch im Bündnis für die Würde unserer Städte engagiert. Denn wir müssen die strukturellen Probleme lösen und brauchen eine Gemeindefinanzreform. Dabei steht Wuppertal noch besser da als andere Städte, weil wir noch eine Rücklage haben.

Der Personalabbau ist bis heute spürbar. War er in diesem Umfang nötig?

Slawig: Er war nötig. Ohne Corona und den Ukrainekrieg würden wir jetzt auch wieder Personal aufbauen. Es ist dramatisch, dass wir das jetzt nicht umsetzen können, im Haushalt die zusätzlichen Stellen radikal zusammenkürzen mussten. Besonders frustrierend ist, dass es weder vom Bund noch vom Land ein Signal gibt, uns da herauszuhelfen. Das empfinde ich als skandalös. Dass uns nur neue Schulden angeboten werden, empört mich. Das habe ich mir anders vorgestellt.

Ihnen wird nachgesagt, dass Sie im Rathaus die eigentliche Macht haben.

Slawig: Ich war sicher eine der einflussreichsten Personen, aber da gibt es auch andere im Rat und im Rathaus. Es gibt auch viele Ideen, die ich nicht durchsetzen konnte, weil es im Rat keine Mehrheit dafür gab. Als Kämmerer habe ich eine wichtige Position, weil alles mit Geld zusammenhängt. Ich habe mich auch nicht gescheut, Projekte gegen Kritik durchzusetzen – etwa den Umbau des Döppersbergs, die Nutzung der ehemaligen Bahndirektion. Mir war wichtig, klug mit den Ressourcen umzugehen, sie nicht mit der Gießkanne zu verteilen, sondern Prioritäten zu setzen, wenn es nicht für alle reicht. So hatte für mich Bildung Vorrang vor dem Straßenbau.

Sie haben sich immer für das Tanzzentrum Pina Bausch eingesetzt.

Slawig: Das Tanztheater ist ein ganz wichtiger Teil der Stadtgeschichte, der deutschen Kulturgeschichte, das ist nationales Kulturerbe. Ich bin fest davon überzeugt, dass die Stadt Zukunftsprojekte braucht – über die Daseinsvorsorge hinaus. Deswegen habe ich mich für den Umbau des Döppersbergs eingesetzt, deshalb setzte ich mich für das Tanzzentrum ein.

Das gleiche Argument verwenden die Befürworter der Buga, Sie aber haben sich dagegen ausgesprochen.

Slawig: Weil das parallel zum Tanzzentrum eine zu hohe finanzielle Belastung ist. Ich habe gewarnt, dass das die Kraft der Stadt übersteigt. Nun hat der Rat entschieden und der Bürgerentscheid ebenso. Deshalb war ich verpflichtet, das vorzubereiten. Für das Tanzzentrum werde ich weiter werben und streiten. Für alle Projekte wird die Luft dünner, die Verteilungskämpfe werden härter, die Stimmung wird kritischer.

Was werden Sie vermissen?

Slawig: Nicht die vielen Routinen, Regeln und Vorschriften, die an der Gestaltung hindern. Ich habe das Gefühl, dass diese immer mehr geworden sind. Die Mitarbeiter werden mir fehlen, so mancher politische Diskurs, der politische Streit im guten Sinn. Und was mir sonst fehlen wird, weiß ich noch nicht.

Sie wollen als Berater arbeiten.

Slawig: Ja, weil ich glaube, dass ich etwas einbringen kann. Für mich ist das spannend, 40 Jahre war ich Teil eines Apparats, bald werde ich eine andere Rolle haben. Dann werde ich nicht entscheiden, sondern beraten.

Werden Sie in der Stadt aktiv bleiben?

Slawig: Ich werde mich öffentlich da engagieren, wo ich es für wichtig halte, zum Beispiel beim Tanzzentrum. Ich strebe aber kein Amt an.

Was sind Ihre privaten Pläne?

Slawig: Erstmal ausschlafen und Abstand finden. Mehr Zeit haben, um Menschen zu treffen. Ich werde mehr reisen, lesen, Tennis spielen und ich habe eine große Familie. Langeweile wird es nicht geben.