Zitterfahrt auf der Autobahn

Wie Lastwagen-Fahrer den täglichen Baustellen-Marathon auf der A46 erleben – hoch über allen Köpfen.

Wuppertal. Wann er zum ersten Mal einen Lkw gefahren hat? "Das war 1957", erinnert sich Fahrlehrer Achim Müller - und wirft vom Beifahrersitz aus einen Blick durch das Frontfenster seines Lastwagens. An dessen Steuer hat mit Wolfgang Westermann ebenfalls ein Wuppertaler mit Fahrpraxis Platz genommen: Westermann ist Präsident der Bundesvereinigung der Berufskraftfahrerverbände und bei der IHK auch für den Stabsbereich "Verkehr" zuständig.

An diesem verregneten Vormittag ist Westermann aber "nur" ein Lkw-Fahrer von vielen: "Damals waren die Zeiten für Berufskraftfahrer entspannter", sagt Müller zu jenen Jahren, als er noch für eine Keksfabrik fuhr und Zeitdruck am Steuer ein Fremdwort war. Um Brummi-Nostalgie geht es aber nicht, sondern um die täglichen Zitterpartien auf der Baustellen-Autobahn 46.

"Eigentlich müsste jeder Autofahrer einmal hier oben mitfahren", sagt Müller in gut drei Metern Höhe auf dem Weg zur Auffahrt Katernberg, Fahrtrichtung Oberbarmen. Kaum hat der 16,50 Meter lange MAN-Truck die Kreuzung von der Hochstraße auf die Nevigeser Straße erreicht, quetschen sich ganz rechts zwei Autos vorbei. Westermann lässt sie bei Grün vorfahren, während er selbst weit ausholen muss, um auf die Nevigeser Straße zu kommen und den Autos sonst gefährlich nahe gekommen wäre.

Ein Vorgeschmack auf die A 46: Auf dem Zubringer zur Autobahn warten die ersten provisorischen Sicherheitswände, die die Lärmschutz-Bauarbeiter schützen.

Gegen die Wände an sich sei nichts einzuwenden, betont Müller. "Aber sie sind mittlerweile sehr hoch und schränken auf engen Spuren die Sicht ein." Davon künden auf der A 46 Wände, über die sich Reifenstriemen ziehen oder an denen nach Zusammenstößen Beton abgeplatzt ist. In der Auffahrt muss Westermann alle Register ziehen, um in der Kurve nicht zu nahe an die Wände zu kommen. "Zentimeter-Arbeit", sagt er. "Man muss bedenken, dass es jetzt hell ist und dass ich die Strecke kenne."

Jetzt geht’s auf die Beschleunigungsspur, und auf der A 46 ist viel los. Der Druck auf die Lkw-Fahrer sei in den vergangenen Jahren immer größer geworden, sagt Müller. "Just in time" heißt bei der Anlieferung das Zauberwort: Auf eine teure Lagerhaltung wird verzichtet. Das funktioniert aber nur, wenn der Nachschub punktgenau angeliefert wird - unter Zeitdruck auf rappelvollen Autobahnen. So haben Lkw den Rang fahrender Lagerhallen.

Auf der A46 wartet noch ganz anderer Stress: "Der Wagen hier drängt mich nach rechts ab", erklärt Westermann, mittlerweile in Fahrtrichtung Düsseldorf unterwegs - in Höhe der Anschluss-Stelle Barmen: Ein Autofahrer hält seinen Geländewagen beim Überholen nur mit Mühe auf der linken Spur auf Kurs und schlängelt sich am Lkw vorbei - während rechts vor dem Brummi fünf Wagen mit geringem Abstand auf die A 46 drängen.

"Wir hätten keine Probleme, wenn jeder auf seiner Spur bliebe", sagt Müller. "So aber muss der Lkw-Fahrer nach rechts ausweichen, um einen Zusammenstoß zu verhindern. Wer unsicher ist, sollte besser rechts bleiben."

Momente wie diese gibt es immer wieder. "Wenn die meisten Lkw-Fahrer nicht so konzentriert fahren würden, hätten wir etliche Unfälle", sind sich Westermann und Müller sicher - was aber nicht heiße, dass nicht auch Trucker Fehler machen.

Richtig eng wird es auf der A46 in Elberfeld. Müller deutet auf einen Betonvorsprung, dessen scharfe Kanten mit Asphalt versehen wurden, um Reifen zu schützen. "Der Bauarbeiter, der das getan hat, hat einen Orden verdient."

"Und auch das hier ist zu eng", sagt Müller, bevor es kurvig in den dunklen Betonschlund der Lärmschutzgalerie Hansastraße geht. Zur Bestätigung reihen sich Bremslichter auf. Jetzt "schwimmt" ein Mercedes vorbei. "Gut, dass ich hier überhaupt nach rechts ausgleichen kann", sagt Westermann. "Sonst säße ich in der Leitplanke."

Auf dem Rückweg aufatmen an der Abfahrt Katernberg: Ziel erreicht. Es regnet immer noch. Müller nickt Westermann auf dem Parkplatz zu, und der Motor verstummt. "Hoffen wir, dass unsere Botschaft ankommt."