Seenstädter Weinberg Erster Weinlehrpfad in ganz NRW

Nettetal · Der Seenstädter Weingarten musste schon mit gefräßigen Rehen und spätem Frost kämpfen. Doch die fünf Winzer aus Nettetal haben sich nicht unterkriegen lassen. Nun haben sie einen spannenden Weinlehrpfad eröffnet.

Ein Gute-Laune-Projekt: Winzer André Deckers, Bürgermeister Christian Küsters und Ute Neu von der Leader-Förderung trennten bei der Eröffnung des Weinlehrpfades symbolisch ein Band durch.

Foto: Heribert Brinkmann

Die größten Fans des Seenstädter Weingartens in Leutherheide waren die Rehe. Die jungen Triebe der gesetzten Reben haben ihnen anscheinend ausgezeichnet geschmeckt. Für die Jung-Weinbauern war das eine unschöne Erfahrung. Jetzt sind die beiden Weinfelder rings um den Kindergarten Leutherheide eingezäunt. Das Gelände bleibt aber über ein Tor öffentlich zugänglich. Am Sonntag wurde offiziell der Weinlehrpfad eröffnet. Es ist übrigens der erste Weinlehrpfad in ganz NRW.

Dazu wurden neun Infotafeln zu den einzelnen Abschnitten installiert, die über die Rebsorten und die Anbaumethoden informieren. Die Stadt Nettetal gehört zusammen mit Geldern, Kevelaer und Straelen zur Leader-Region, deren Verein „Leistende Landschaft“ (Lei.La) Kleinprojekte in der Region fördert. Auch für den Weinlehrpfad hat Lei.La Fördergelder zur Verfügung gestellt. Zur offiziellen Eröffnung mit obligatorischem Durchschneiden des Bandes kam neben Bürgermeister Christian Küsters auch Leader-Regionalgeschäftsführerin Ute Neu. Zusammen mit dem Initiator André Dückers und Bürgermeister Küsters schnitt sie am Sonntagmittag ein „symbolisches“ Bändchen durch. Rund 70 Zuschauer waren auf das Feld am Blumental in Leutherheide gekommen, darunter etliche Rebstockpaten. Dazu gab es Musik vom Pfarrorchester Leuth und einen Ausschank von roten und weißen Weinen – die jedoch noch nicht vom Weinfeld in Nettetal stammen.

Der Seenstädter Weingarten ist ein außergewöhnliches Projekt von fünf Freunden, die in Nettetal durch das Seenstädter Pils und das Grenzgold-Festival in Nettetals Kneipen bestens bekannt sind. André Breuer hat bereits als Bierbrauer eine Erfolgsgeschichte geschrieben. Auf den Wein sind Breuer, Guido Kall, Leo Jürgens, Tim Schmitz und Marcel Fritz aus zwei Gründen gekommen: Nach dem Ahr-Hochwasser haben sie in den Weinbergen im Ahrtal geholfen und viele Kontakte mit Winzern geknüpft. Außerdem hatten die Bierbrauer den Wunsch, ein Produkt vom Anfang bis zum Ende selber herzustellen. Das geht beim Bier nicht so leicht, also Wein. Das Gelände in Leutherheide ist ihnen quasi vor die Füße gefallen. Weil es maschinell nicht so leicht zu bewirtschaften ist, kam eine alternative Nutzung in Frage. Seit 2021 haben die fünf Nettetaler Winzer vom Seenstädter Weingarten nach und nach die zwei Parzellen um den Kindergarten mit inzwischen über 3000 Rebstöcken bepflanzt. Viele Stunden haben sie im Weingarten verbracht, bei denen immer wieder Interessierte stehen blieben, um sich über ihr Projekt aus erster Hand zu informieren. „Das Bedürfnis, mehr über den Weinbau erfahren zu wollen, ist deutlich spürbar“, stellte das Winzer-Quintett fest. So begannen sie im Frühjahr letzten Jahres, einen Teil ihres Weinberges mit klassischen Rebsorten zu bepflanzen. Die alten Rebsorten sollen in traditionellen und international verbreiteten Systemen erzogen werden. Der Ausbau erfolgt als Mischsatz, das heißt, die Trauben werden gemeinsam gelesen, gepresst und vergoren. Über die klassischen wie neueren, pilzwiderstandsfähigen Rebsorten, das Ökosystem Weingarten, An- und Ausbau informieren neun Schautafeln, die als Weinlehrpfad angelegt sind.

Die Leutherheide ist nicht mal das nördlichste Weinanbaugebiet. Wein wird auch erfolgreich in den Niederlanden, in England und Skandinavien angebaut. Trotzdem ist Frost ein Problem. Einen Rückschlag gab es im vergangenen Jahr. Da sorgte ein später Frost für einen Totalausfall. Die Winzer im Nebenerwerb lernen durchs Tun. Sie haben mit Winzern an Mosel und Ahr gesprochen, haben viel Fachliteratur gewälzt, am Ende sind sie alle Autodidakten. Ein Hektar groß ist das Weinfeld. 2021 begonnen, hatten sie 2023 den ersten Ertrag. Der „Weinkeller“ befindet sich in einer umgebauten Garage in Kaldenkirchen. Neu-Winzer André Dückers freut sich über viel Sonnenschein. Der ist unabdingbar für den Zucker in den Trauben. Auf der anderen Seite wäre Regen für die Reben schön. Auf jeden Fall hofft er, dass es bis Mai keinen Frost mehr gibt.