Zum bekannten Fachkräftemangel kommt jetzt der allgemeine Arbeitskräftemangel hinzu Selbst ungelernte Mitarbeiter sind auf dem Markt kaum zu finden
Der Mittelständler, der in Lennep mit 700 Mitarbeitern Wurstwaren, frische Pasta und andere Lebensmittel produziert, hat gute Jahre hinter sich. Und weil die zukünftigen noch besser werden sollen, will das Unternehmen kurzfristig 50 zusätzliche Leute einstellen.
Auch Fachkräfte, vom Metzger bis zum Elektroniker, vor allem aber Mitarbeiter für die Produktion, die angelernt und später weiterqualifiziert werden sollen. Doch das gestaltet sich gar nicht so einfach.
Schon in der jüngeren Vergangenheit habe es Schwierigkeiten gegeben, Stellen zu besetzen, berichtet Marketingleiter Oliver Frielingsdorf: „Ich habe mich auch gewundert, wie schwer es ist, kurzfristig Leute zu bekommen.“ Also habe man sich mit Überstunden und Leiharbeitern beholfen. Doch eine dauerhafte Lösung sei das nicht, so Frielingsdorf. Deswegen investiere man nun, trotz aller Probleme mit Rohstoffen und Lieferketten in neues Personal. „Weil wir an die Zukunft unseres Unternehmens glauben.“
Hersteller konnte keine Mitarbeiter von Restaurants übernehmen
Als wegen Corona die Restaurants schließen mussten, die Menschen häufiger zuhause aßen und auch bereit waren, dafür mehr Geld auszugeben, habe Steinhaus als Premiumhersteller davon profitieren können, sagt Frielingsdorf. Doch die Idee, mit den Kunden auch gleich die lebensmittelaffinen Angestellten von den Restaurants zu übernehmen, sei nicht aufgegangen. „Trotz Tariflohn und geregelten Arbeitszeiten.“
Eine Erfahrung, die auch andere Betriebe im Bergischen schon ganz ähnlich gemacht haben. Während der Fachkräftemangel längst in aller Munde und durchaus auch erklärbar ist – nicht jeder Arbeitssuchende ist als IT-Fachkraft oder Mechatroniker geeignet – hat sich in manchen Bereichen darüber hinaus ein Arbeitskräftemangel entwickelt.
Hagen Hintze von der Bergischen IHK verweist in diesem Zusammenhang auf eine Umfrage seiner Kammer. Dabei hatten im Herbst des vergangenen Jahres 39 Prozent der befragten Unternehmen angegeben, dass sie Stellen längerfristig, also länger als zwei Monate, nicht besetzen konnten, weil geeignete Bewerber fehlten. Mehr als ein Drittel davon suchten auch Mitarbeiter ohne Berufsausbildung. Die Gründe dafür seien höchst unterschiedlich und individuell, sagen Experten. „Vielleicht fehlt der Anreiz“, vermutet Hintze. Ein Punkt, den auch die Agentur für Arbeit als mögliche Ursache auf dem Zettel hat: Bei Bezahlung nach Mindestlohn bleibe oft kaum mehr übrig als bei entsprechenden Sozialleistungen. „Da muss man mal abwarten, wie sich die geplante Erhöhung des Mindestlohns auswirkt“, sagt Hintze.
Doch auf den Mindestlohn verlassen sich viele bergische Arbeitgeber schon lange nicht mehr bei ihrer Suche. Stundenlöhne über den geplanten 12 Euro sind, auch bei Helfertätigkeiten, längst keine Seltenheit mehr. Deswegen verweist die Agentur für Arbeit auf andere mögliche Gründe, warum Arbeitssuchender und Arbeitsplatz nicht zusammen passen. So sei zum Beispiel Schichtarbeit nicht für jeden möglich. Und gerade Stellen im Helferbereich seien oftmals körperlich belastend und damit für Menschen mit gesundheitlichen Problemen ungeeignet.
Hinzu kämen branchenspezifische Themen, sagt Steinhaus-Marketingleiter Oliver Frielingsdorf. Die Lebensmittelbranche zum Beispiel habe seit dem Skandal um die Arbeitsbedingungen in großen Schlachthöfen einen schlechten Ruf: „Da gibt es eine Art Generalverdacht.“ Gerechtfertigt sei das aber nicht, betont Frielingsdorf – und verweist auf Tariftreue und einen starken Betriebsrat, dessen Vorsitzende selber schon seit mehr als 40 Jahren im Unternehmen ist. Der hatte, neben Prämien und Job-Bike, zuletzt noch eine weitere Zusatzleistung für die Belegschaft ausgehandelt: Seit April ist das Essen in der Kantine einmal im Monat kostenfrei. Um die gestiegenen Lebenshaltungskosten zumindest ein wenig abzufedern.
Solche und andere Informationen zu kommunizieren, darin sieht Oliver Frielingsdorf eine Möglichkeit, doch noch neue Mitarbeiter zu gewinnen. Gerade in einer von der Metallindustrie geprägten Region wie das Bergische hätten sich viele noch gar nicht mit der Lebensmittelbranche als Arbeitgeber beschäftigt, vermutet er: „Vielleicht glauben manche ja auch, das sei kein sicherer Job.“ Dieses mögliche Vorurteil sei allerdings leicht zu entkräften: „Gegessen wird schließlich immer.“