Kino Zurück auf Los: „Das zweite Leben des Monsieur Alain“

Die rasante Rollstuhl-Rallye über den Krankenhausflur, sie darf auch in dieser Tragikomödie über das Leben nach der Krankheitskatastrophe nicht fehlen.

Er muss das Leben nach einer schweren Erkrankung meistern, nachdem sich bei ihm durch die Katastrophe schlagartig alles verändert hat: Fabrice Luchini als Alain in „Das zweite Leben des Monsieur Alain“

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Was passiert, wenn ein knallharter Topmanager nach einem Hirnschlag Teile seines Gedächtnisses und seiner Sprache verliert? Ein griemlich zoßes Nurcheidander - und das nicht nur durch vertauschte Silben und Buchstaben. Der Franzose Hervé Mimran hat mit „Das zweite Leben des Monsieur Alain“ die Autobiografie des früheren Airbus- und Peugeot-Managers Christian Streiff verfilmt und daraus eine Tragikomödie gemacht, die wie eine wilde Mischung aus „Allerbeste Freunde“ und „Willkommen bei den Scht‘is“ wirkt.

Vorweg: An deren Charme und überbordenden Sprachwitz reicht der Film zwar nicht heran. Aber Fabrice Luchini als Workaholic Alain Wapler, den der Schlaganfall zurück auf Los katapultiert, ist wirklich sehenswert.

„Ich ruhe mich aus, wenn ich tot bin“, sagt Alain in seinem ersten Leben. Und auf die Frage „Sie sagen auch nie Danke, oder?“ antwortet er kaltlächelnd: „Niemals!“. Seine Frau ist gestorben, die heranwachsende Tochter sich selbst überlassen, Erfolg im Job alles. Doch nach dem Schlaganfall ist Alain plötzlich völlig hilflos und bedürftig. Nur die junge Logopädin Jeanne (unbestechlich natürlich: Leila Bekhti) kann ihm aus dem Labyrinth der durcheinandergerutschten Worte und Orientierungen heraushelfen - im Schneckentempo, auf vielen Umwegen, aber mit wachsender Sympathie für das Ex-Ekel.

Alain verliert seinen Spitzenjob und muss sich - nicht nur beruflich - völlig neu finden. Und bei dieser Suche entdeckt er mit Hilfe eines munteren Pflegers nicht nur den Spaß am Leben, sondern tatsächlich auch weiche Seiten. Er hilft Jeanne heimlich bei der Suche nach ihrer leiblichen Mutter. Auch das Nicht-Verhältnis zu seiner fast schon unrealistisch geduldigen Tochter (dennoch entzückend: Rebecca Marder) kommt in Bewegung.

Ein Film, der zwischen Drama
und Komödie schwankt

Das alles passiert in einer total verdrehten Sprache, deren unfreiwilliger Witz ordentlich ausgekostet wird, teils auch zu feste. Dies gehört zu den Schwächen des neuen Kinofilms, der manchmal etwas unentschlossen zwischen Komödie und Drama schwankt - ebenso wie die Tatsache, dass eine Autobiografie nicht zwingend einen bis zum Ende spannenden Filmplot liefert.

So gibt es einige erzählerische Verkürzungen. Wie etwa schafft es Alain, der kurz zuvor noch orientierungslos durch Paris irrte, alleine mit seinem Hund den Jakobs-Weg zu gehen? Diese Wanderung liefert zwar wunderschöne Bilder, ist für die Filmhandlung aber nicht wirklich wichtig. Aus unerfindlichen Gründen wird Alain unterwegs sogar - obwohl längst des eigenen Handys beraubt - von seiner Tochter aufgespürt, die dann zu zusammen mit ihm weitermarschiert.

Dennoch zeigt „Das zweite Leben“ in den Momenten, die Drama und Leichtigkeit gut ausbalancieren, immer wieder Charme. Etwa, wenn Alain seinem langjährigen Chauffeur zum Abschied fest die Hand drückt und dieser ganz gerührt ist: „Das bedeutet mit etwas, denn Sie bedanken sich sonst nie.“ Alain wiederum: „Fanke dielmals!“