China: Tausende warten verzweifelt auf Hilfe

Nach der Erdbeben-Katastrophe ist das Ausmaß der Zerstörungen noch nicht abzusehen. Die Straßen in die am stärksten betroffenen Regionen sind unpassierbar.

Peking. Das Leid nach dem schwersten Erdbeben seit mehr als 30 Jahren in China ist unvorstellbar. In den Trümmern einer zerstörten Schule in Dujiangyan rufen verschüttete Kinder verzweifelt nach Hilfe und versuchen vergeblich, sich selbst zu befreien.

In dem Ort, der nur 100 Kilometer vom Epizentrum in der Provinz Sichuan liegt, waren einige hundert Schüler während des Unterrichts von den Erdstößen überrascht worden. Ein Teil des dreistöckigen Gebäudes stürzte ein. Wie viele Kinder genau verschüttet wurden, ist unklar. Die Tränen der Mutter des Drittklässlers Zhang Gengwei zeigen aber, dass für sie der Tod ihres Kindes in den Trümmern schon Gewissheit ist.

Unter Schock stehende Eltern stehen am Rande, sehen zu, wie Kräne die Trümmer beiseite räumen. Ein Notarztwagen wartet. Zwei Mädchen berichten, sie seien nur mit dem Leben davon gekommen, weil sie "schneller als die anderen rannten". Dorfbewohner helfen bei den Bergungsarbeiten, retten einige Schüler aus den Trümmern. "Einige sind aus dem Fenster gesprungen, und einige wenige sind das Treppenhaus herunter gelaufen, das nicht zerstört wurde."

Als der eilig eingeflogene Regierungschef Wen Jiabao am Abend in Dujiangyan eintrifft, steigt die Zahl der bestätigten Toten in der Region schon fast stündlich um Tausende. Seit dem verheerenden Erdbeben 1976 in Tangshan in Nordostchina mit mehr als 200 000 Toten sind in China nicht mehr so viele Menschen bei einer solchen Katastrophe ums Leben gekommen. Die schlimmsten Befürchtungen bewahrheiten sich schon jetzt, obwohl das Ausmaß der Katastrophe noch gar nicht bekannt ist.

Glück im Unglück hatte eine Frau in Dujiangyan, die mit ihrer Tochter aus ihrem fünfstöckigen Haus flüchten konnte. Es hängt in einer gefährlichen Schieflage. Mit anderen Überlebenden harrt die Frau im Regen ohne jede Hilfe auf einem großen Spielplatz einer Schule aus. Die Dunkelheit bricht an, ohne dass Hilfe in Sicht ist. Mit dem Handy kann sie nicht telefonieren, da das Netz völlig überlastet ist. Doch sie kann noch Kurznachrichten verschicken. "Viele Häuser sind zerstört", schreibt sie ihrer jüngeren Schwester, die Reportern davon berichtet.

"Es ist so traurig. Wir können nicht mehr zurück ins Haus, um unsere Sachen zu holen", schreibt sie. Das Haus drohe einzustürzen. Ihnen fehlten Schirme und Jacken gegen den Regen in der Nacht. Hunger macht sich breit. "Jetzt sind schon sieben oder acht Stunden vergangen, und es ist immer noch keine Hilfe da", kritisiert ihre Schwester unter Tränen. "Der Regierungschef ist da, aber wo ist die Hilfe?"

Zuvor hatte Regierungschef Wen Jiabao noch alle Parteimitglieder "zur Arbeit an der Front" der Rettungsbemühungen aufgerufen und versucht, mit einigen Lobliedern auf die Krisenpolitik der Kommunistischen Partei Zuversicht zu verbreiten. Doch die Menschen in Dujiangyan müssen weiter warten.

Wie es im benachbarten Wenchuan aussieht, weiß niemand genau. Die Straßen sind zerstört. Am Epizentrum der Erdstöße dürfte es die meisten Zerstörungen geben. Mehr als 100 000 Menschen leben in der Provinz.