In Kabul lernte er Gelassenheit
Ein Jahr lang half Jörg Rosemann beim Aufbau der Polizei in Afghanistan. Er bewundert die Mentalität der Menschen dort.
Köln/Krefeld. "Dieses Foto symbolisiert für mich den Weg, auf dem sich Afghanistan befindet", sagt der Polizist Jörg Rosemann und zeigt auf ein Bild, das einen afghanischen Hirten in verstaubten Kleidern mit einem Wanderstab zeigt. Seit März hängt es gegenüber seinem Schreibtisch im Kölner Polizeipräsidium und erinnert ihn an seinen Einsatz im afghanischen Kabul.
Rund 2500 Fotos hat der 48-Jährige mitgebracht. Von Februar 2007 bis Februar 2008 half er beim Aufbau und der Neuorganisation der afghanischen Polizei. Wichtig war ihm, Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten: "Es galt, eine Trainingsstrategie zu entwickeln, mit der die Afghanen selbst ausbilden können."
Zurzeit werden 255Polizisten aus allen Bundesländern zum Beispiel im Kosovo, in Georgien, im Sudan oder in Afghanistan zur Beratung und zum Training der einheimischen Polizei eingesetzt. Darunter sind etwa 40 aus Nordrhein-Westfalen.
Der gebürtige Krefelder Rosemann hatte schon immer den Wunsch, einen Auslandseinsatz mitzumachen, und bewarb sich. Als das Angebot für Afghanistan kam, zögerte er nicht lange und sagte zu.
"Meine Frau hat mich bei meiner Entscheidung unterstützt. Ohne ihre Zustimmung wäre ich nicht gegangen", betont er. In Gefahrentrainings und Seminaren bereitete er sich auf die neue Situation vor. "Ich habe viel Grundwissen vermittelt bekommen, so dass ich mich sicher fühlte."
Das Wissen brauchte er auch. In einem Camp erlebten Rosemann und seine Kollegen einen Raketenangriff. "Wir hockten 90 Minuten lang in einem Bunker, zum Glück wurde keiner verletzt", erinnert er sich. Angst habe er nicht gehabt. "Man baut einen mentalen Schutzwall auf, denn sonst wird man handlungsunfähig, und die anderen haben gewonnen."
Besonders zum Nachdenken brachte ihn ein Attentat auf ein Hotel in Kabul, bei dem sieben Menschen getötet wurden. In Fitnessraum und Sauna des Hotels hatte er öfter seine Freizeit verbracht. "Daran merkt man, dass man eben nicht zu Hause ist."
Dennoch empfindet er das von Gewalt geprägte Bild Afghanistans in den Medien als unvollständig. Die Menschen seien sehr gastfreundlich, und die Ärmsten der Armen teilten ihr Brot, erklärt er.
"Während eines Ausflugs trafen ein Kollege und ich einen Mann und seine picknickende Familie, und wir hatten in Sekundenschnelle eine Teetasse in der Hand." Solche Momente hätten Kraft gespendet und ihm gezeigt, dass ausländischen Helfern nicht nur Hass entgegenschlägt.
Er habe in dem fremden Land auch gelernt, gelassener zu sein. "Aufregung kostet zu viel Energie", sagt er augenzwinkernd. Als Pünktlichkeits-Fanatiker musste er lernen, dass den Afghanen ein Plausch mit Freunden oft wichtiger ist als ein Bürotermin um 10 Uhr. "Die Regel ist, dass es keine Regel gibt. Inshallah (so Gott will) sagt man dort." Per E-Mail berichtete Rosemann seiner Frau, Freunden und Kollegen regelmäßig von diesen und anderen Erlebnissen.
Zu Hause in Köln hat er sich mittlerweile wieder gut eingelebt. "Ich warte immer noch auf das tiefe schwarze Loch, in das ich laut erfahrenen Kollegen fallen könnte. Bis jetzt ist glücklicherweise noch nichts dergleichen passiert." Einen erneuten Auslandseinsatz kann er sich gut vorstellen. "Dann sollte aber meine Frau dabei sein, damit auch sie tolle Eindrücke sammeln kann", wünscht er sich.