„Deutschland wegbomben“
Das Gericht verdeutlicht, mit wieviel Hass und Entschlossenheit die Islamisten vorgingen.
Düsseldorf. Besonders beeindruckt wirken die soeben als Terroristen verurteilten Männer nicht: Herzlich klatscht der Islamist Adem Yilmaz seinen Kumpel Daniel Schneider ab und verschwindet aus dem Gerichtssaal. Fritz Gelowicz lächelt in weißer Trainingsjacke, die Hände in den Taschen seiner Jeans.
Das umfangreichste deutsche Terrorverfahren seit den Prozessen gegen die Rote Armee Fraktion (RAF) ist beendet. In gut fünf Jahren könnten die Islamisten der Sauerland-Gruppe wieder auf freiem Fuß sein, Terrorhelfer Atilla Selek schon in fünf Monaten. Für die Planung der Anschläge haben die bärtigen jungen Männer bis zu zwölf Jahre Haft erhalten. Schneider und Gelowicz bekommen die höchsten Strafen, Yilmaz elf Jahre, Selek fünf Jahre. Die Untersuchungshaft wird angerechnet, bei guter Führung winkt nach Verbüßen von zwei Dritteln der Strafe die Freiheit.
Die vier Islamisten hätten "aus Verblendung und verqueren Dschihad-Ideen" gehandelt, geißelt der Vorsitzende Richter Ottmar Breidling. Sie alle haben dem Terror abgeschworen, beteuern ihre Anwälte. Zweifel kommen angesichts der Meldung auf, dass Gelowicz’ Ehefrau noch vor kurzem Geld für die terroristische Islamische Dschihad Union gesammelt haben soll.
Das Gericht äußert deutlich sein Unbehagen über diese neue Form islamistischen Terrors, den Experten "Homegrown Terrorism" nennen - Terrorismus aus eigener Zucht sozusagen: So wuchsen Schneider und Gelowicz in bürgerlichen deutschen Verhältnissen auf und wurden dennoch zu "Todesengeln im Namen des Islam".
Konflikte in zerrütteten Familien gaben den Anstoß, um Halt in radikal-islamischen Ideen zu suchen. Der Einfluss von Hass-predigern wie in Neu-Ulm tat ein Übriges, und die Konvertiten marschierten bald im "Dschihad" mit der Kalaschnikow durch Waziristan. Beim Bombenbau im Sauerland gerieten sie - abgehört von den Ermittlern - in blutrünstiges Schwärmen, fielen Sätze wie "Am besten ganz Deutschland wegbomben".
Die Angeklagten seien zu "nahezu grenzenlosem und hemmungslosem Töten bereit" gewesen und hätten einen "zweiten 11.September" im Kopf gehabt, sagt Breidling. Ihr "Hass auf alle Ungläubigen" trieb sie zu Anschlägen auf Kneipen, Diskotheken, Flughäfen und US-Einrichtungen in Deutschland. Die Pläne waren perfide: Mit einer kleineren Explosion sollten Menschen zur Flucht aus einer Disco getrieben werden. Draußen sollte sie dann der Tod durch eine gewaltige Autobombe ereilen.
Die Ermittler waren erschrocken, als sie in einer Garage auf deutlich mehr Fässer mit Wasserstoffperoxid stießen, als sie vermutet hatten. Aus über 700 Litern wollten die selbst ernannten Gotteskrieger Bomben mit einer Sprengkraft von mehr als 400 Kilogramm TNT bauen, um möglichst viele Menschen zu töten. "Einen Anschlag von einem solchen Ausmaß hat es in Deutschland noch nie gegeben und auch nicht die Verabredung dazu", betont Breidling. Dennoch gibt es Strafrabatt: Für die Geständnisse, für die Tatsache, dass die meisten Zünder unbrauchbar waren, und weil die Chemikalie von der Polizei schnell durch eine stark verdünnte Variante ausgetauscht worden war, somit keine unmittelbare Gefahr mehr bestand.