Einsatz mit dem Leben bezahlt: Deutsche Familie im Jemen getötet
Die im Jemen entführte Familie Hentschel aus der Gemeinde Meschwitz in Sachsen ist tot.
Jemen. „Uns kann nichts passieren.“ Das waren die letzten Worte, mit denen Johannes Hentschel im Sommer 2008 seine Nachbarin Margit Barsch im sächsischen Meschwitz kurz vor seiner Abreise in den Jemen beruhigte. Der heute 58-jährigen Frau hat sich dieser Satz unauslöschbar eingeprägt. In den vergangenen Wochen musste sie öfter als sonst daran denken. Unlängst erfuhr sie von Familienangehörigen der Hentschels, dass es für Johannes Hentschel, seine Frau Sabine und ihren Sohn Simon keine Hoffnung mehr gibt. Das Ehepaar hat für einen selbstlosen Einsatz im Jemen mit dem Leben bezahlt. Was die Einwohner des kleinen Ortes lange befürchtet hatten, ist seit Dienstag Gewissheit.
Pastor Reinhard Pötschke, Schwager von Johannes Hentschel, erhielt Ende August vom Auswärtigen Amt die Auskunft vom Tod der Familie. Die traurige Nachricht habe die Angehörigen nicht plötzlich und unerwartet getroffen — auch wenn ein Funken Hoffnung in all den Jahren nie erloschen sei, sagt Pötschke. In den vergangenen Wochen habe man zunächst Angehörige und Freunde der Familie verständigt. Doch nun sollte auch die Öffentlichkeit informiert werden. „Es gibt viele im Land, die mit uns gehofft und gebetet haben.“
Margit Barsch hat die Bestätigung der Nachricht früh im Radio gehört. Nun steht sie in der Küche ihrer Wohnung und wirkt gefasst. Vor sechs Jahren hat sie die Hentschels zum letzten Mal gesehen. Zur Geburt ihrer Kinder sei die Familie jedes Mal nach Meschwitz zurückgekehrt und dort bei Verwandten untergekommen. Auch der Traum vom eigenen Heim sollte sich erfüllen. „Sie hatten schon ein Grundstück.“ Wenn die erste Tochter in die Schule kommen würde, wollten sie dort leben, erzählt die Nachbarin. Als die beiden Töchter der Familie im Mai 2010 freikamen, sei die Hoffnung in Meschwitz noch einmal aufgekeimt. Doch als keine weiteren Nachrichten eintrafen, habe sich wieder dieses flaue Gefühl eingestellt.
Die beiden Mädchen, heute acht und zehn Jahre alt, hat Frau Barsch bei der ersten Begegnung nach der Freilassung auf Anhieb gar nicht wiedererkannt: „Beiden hatte man die Haare gefärbt, vermutlich damit sie mit ihren blonden Haaren im Jemen nicht so auffallen.“ Seither hat Margit Barsch den Kontakt zu den Mädchen behalten. „Es sind fröhliche, aufgeweckte Kinder, und sie haben wieder blonde Haare.“ Die Mädchen leben heute bei Verwandten in Sachsen. Die Nachbarin hat die Hentschels als harmonische Familie erlebt: „Das waren so liebe Menschen, sie sind ganz liebevoll mit den Kindern umgegangen.“
Das Haus der Familie Barsch war für Johannes Hentschel ein fester Anlaufpunkt. Da er zu Hause keinen Fernseher hatte, schaute er immer im Nachbarhaus Fußball. „Einmal brachte er seinen Laptop mit und hat uns gezeigt, wie die Familie im Jemen lebt, Bilder von der Wohnung, vom Krankenhaus.“
Beim letzten Besuch, sagt Margit Barsch, habe sie sich Sorgen gemacht, weil zu diesem Zeitpunkt in der Region gerade jemand entführt worden sei. Doch Johannes Hentschel habe die Sorgen als unbegründet bezeichnet und gesagt: „Wir werden dort gebraucht, wir sind anerkannt.“ Und dann fiel der letzte Satz beim Abschied: „Uns kann nichts passieren.“