Meerbusch Orthodoxes Weihnachten fern der Heimat

Büderich · Julia Bukareva, Sohn Vlad und Großmutter Liubov sind aus der Ukraine geflohen. Heute feiern sie als orthodoxe Christen das Weihnachtsfest zum ersten Mal fern der Heimat in Büderich. Der Weg hierhin war für sie sehr schwer.

Geflüchete aus der Ukraine von links Großmutter Liubov, Sohn Vlad und Julia Bukareva feiern Weihnachten in ihrer neuen Wohnung.

Foto: male

Schon vor über dreißig Jahren hat Julia Bukareva (44) davon geträumt, Weihnachten einmal in Deutschland zu verbringen. Die Adventszeit kannte sie bereits von mehreren zweiwöchigen Besuchen in Angermund bei der Familie von Franz Schnurbusch, einem bekannten Waldlehrer. Im Rahmen der Tschernobyl-Hilfe für Kinder wurden ihr, dem Mädchen aus der Ukraine, das den Vater verloren hatte, die Aufenthalte möglich gemacht. „Mir gefielen die Dekorationen und die Kerzen am Adventskranz“, sagt sie heute und freut sich über ihre Lichter und den liebevoll geschmückten Weihnachtsbaum im Wohnzimmer. Doch dass sie, ihr Sohn Vlad (12) und ihre Mutter Liubov (81) unter diesen Kriegswirren Weihnachten in Büderich verbringen, damit hatte sie nie gerechnet.

Heute, am 6. Januar, feiern die drei gemeinsam mit Hund Luna, Katze Alica und Vogel Steve ihr christlich-orthodoxes Weihnachtsfest in ihrer kleinen Wohnung an der Moerser Straße. Sie sind froh, beisammen zu sein, ein warmes Appartement und Licht zu haben. „Aber meine Gedanken sind immer in der Ukraine. Jeden Tag erreichen uns schreckliche Nachrichten aus Kiew. Ich weine viel und habe ganz schlechte Träume“, sagt Julia unter Tränen. Dennoch wird die Weihnachtsspeise Kutja mit gekochtem Getreide, Mohn und Aprikosen zubereitet und auch ein Kirchenbesuch seht auf dem Programm. Mutter, Sohn und Oma sind seit dem 5. März 2022 in Deutschland. Als der Krieg am 24. Februar ausbrach, wohnten die drei mit den Tieren in einem Hochhaus in Kiew in der neunten Etage. Vlad besuchte eine deutsch-ukrainische Schule und Wirtschaftsökonomin Julia arbeitete für eine Versicherung und half, da sie sehr gutes Deutsch spricht, als Repetitorin in Vlads Schule aus. Nur die Oma war schon in der Heimat gesundheitlich angeschlagen. „Das war unser großes Problem, als die Bomben einschlugen und wir bei jedem Alarm in den Keller mussten“, sagt Julia Bukareva. Mit der kranken Großmutter waren sie nicht schnell genug aus der neunten Etage im Keller in Sicherheit. Nachbarn boten ihre Wohnung im Erdgeschoss an, damit sie schneller Schutz suchen konnten. „Aber die Angst blieb, Ausgangssperren, Raketenangriffe. Das Leben war eine Hölle und wir hatten Todesangst“, sagt Julia traurig. Schweren Herzens machen sie sich nur mit einem Rucksack bepackt und den Tieren im Schlepptau auf den Weg zum Bahnhof, um zu fliehen. „Ich kam mir vor wie in einem alten Kriegsfilm aus dem Fernsehen“, sagt Julia. Aber das, was die drei erlebten, war grausame Realität. Auf dem Bahnhof verloren sie zwischenzeitlich ihre Mutter, wurden vom Militär kontrolliert und fanden schließlich, als alle im Waggon waren, keinen Sitzplatz.

Besuch von Sprach- und Integrationskursen

Neun Stunden waren sie mit dem Zug bis zur rumänischen Grenze unterwegs. Dort angekommen bekamen sie Tee und Essen. Und Ludger Schnurbusch war da! Der Sohn des früheren Gastvaters, zu dem der Kontakt nie abgebrochen war, flog von Deutschland nach Rumänien und sammelte die Bukarevas in einem Leihwagen auf. Über Rumänien, Ungarn und Österreich erreichten sie schließlich nach vielen Stunden Deutschland und kamen in Lank bei einer Gastfamilie unter. Ludger Schnurbusch hatte sich bereits um alles gekümmert. „Ich bin so dankbar für die ganze Hilfe, von Ludger, den Meerbuschern und Deutschland“, sagt Julia. Aber sie vermisse ihre Heimat, die Freunde und weine jeden Tag, wenn sie die Bilder aus ihrer Heimat sieht. Ihre Wohnung in Kiew stehe zwar noch, doch es gäbe keinen Strom und keine Heizung. „Früher haben Vlad und ich Pläne für unser Leben gemacht, was wir machen, erleben und erreichen wollen“, sagt die Frau mit den langen dunkeln Haaren. Heute lebe sie nur von jetzt auf morgen, ohne Perspektive und Pläne. Sie vermisse ihr ganzes Leben und psychisch gehe es ihr und ihrer Mutter gar nicht gut. Vlad ist am Mataré-Gymnasium in der Integrationsklasse ganz gut angekommen. Aber untätig ist die agile Frau nicht. Sie hat einen Integrationskurs besucht und will einen Sprachkurs absolvieren, um B2 Sprachkenntnisse nachweisen zu können. Schließlich wolle sie arbeiten, beim Sozialamt oder Jobcenter. Sie kann gut übersetzen und spricht neben Ukrainisch auch Russisch und sehr gutes Deutsch. Aber die Regeln in Deutschland, die kenne sie noch nicht. Nach dem Umzug in ihre eigene Wohnung in Büderich – auch hier halfen wieder Bekannte und Freunde und organisierten Möbel und Hausrat – mussten Internet und Fernsehen angemeldet werden, der Stromvertrag müsse ausgefüllt werden und wann darf wer im Keller waschen? Das wird sie alles noch hinkriegen, ist sie sich sicher. Aber heute wird erst einmal Weihnachten gefeiert. Neben Kutja gibt es beim ukrainischen Weihnachtsfest normalerweise noch weitere zwölf Speisen. „Aber das werden wir nicht schaffen zuzubereiten“, sagt Julia. Es werden Gebete gesprochen, Kerzen für die Verstorbenen angezündet und Gottesdienste besucht.