Umstrittener Straßenname Rat entscheidet: Infotafel statt neuem Namen

Meerbusch · Der Künstler stand dem Nationalsozialismus nahe. Meerbuschs Stadtarchivar hat sich mit der Person Emil Nolde auseinandergesetzt.

Die Meerbuscher Politik hat entschieden, dass der Emil-Nolde-Weg in Osterath nicht umbenannt wird.

Die Meerbuscher Politik hat entschieden, dass der Emil-Nolde-Weg in Osterath nicht umbenannt wird.

Foto: RP/Dominik Schneider

Als im Jahr 1991 die Straßennamen für die kleine Siedlung in Osterath zwischen Westring und Bommershöfer Weg beschlossen wurden, sah man den 1956 verstorbenen Künstler Emil Nolde noch mit anderen Augen. Gemeinsam mit etwa Paul Klee und Max Ernst wurde er damals zum Namensgeber für ein Viertel, dessen Straßen nach Malern des Expressionismus benannt wurden. Heute jedoch zeigen neue Erkenntnisse der historischen Forschung, dass Nolde ein aus moderner Sicht problematisches Verhältnis zum nationalsozialistischen Regime hatte. In mehreren Städten wurden deswegen Straßen, die seinen Namen trugen, bereits umbenannt, und auch in Meerbusch wurde dies diskutiert. Eine Umbenennung wird es jedoch nicht geben, stattdessen hat der Hauptausschuss beschlossen, mit einer Hinweistafel das Bewusstsein für Noldes Verhältnis zum NS-Regime zu wecken.

Im Juni hatte die Meerbuscher Grünen-Fraktion einen Antrag auf Umbenennung des Emil-Nolde-Wegs gestellt. Dieser wurde jedoch vertagt, die Verwaltung sollte die Machbarkeit und mögliche Alternativen untersuchen. Inzwischen liegt auch eine Stellungnahme des Meerbuscher Archivars Michael Regenbrecht vor, der sich eingehend mit dem Leben von Emil Nolde und seiner Rolle im Nationalsozialismus auseinander gesetzt hat. „Lange galt Emil Nolde als prominenter „entarteter Künstler“. Doch neuere Erkenntnisse aus dem Nolde-Nachlass in Seebüll und Materialien aus anderen Archiven zeichnen ein anderes Bild des Künstlers“, so Regenbrecht. So sei ein Bruch in seiner Motivwahl nach 1933 festzustellen, als Nolde von unter anderem biblischen Motiven auf die bei den Nazis beliebte nordische Sagenwelt, zunehmend blonde und blauäugige Personen und mystische Kultszenen von Bergen und Burgen umschwenkte – auch wenn er sich im Stil nicht dem monumentalen Kunstgeschmack der NS-Elite anpasste.

Nolde wurde nicht verfolgt und könnte finanziell profitiert haben

Zwar war, so Regenbrecht, Nolde Opfer der NS-Kunstpolitik, über 1000 Werke von ihm wurden beschlagnahmt, zwangsverkauft oder zerstört, er selbst wurde aber nie als Künstler verfolgt. Finanziell könnte er sogar von der Ausstellung seiner Werke in der Schau „Entartete Kunst“ profitiert haben. „Auch war er von völkischem Denken durchdrungen und ein überzeugter Antisemit. Davon zeugen seine Autobiographie und auch seine umfangreiche, erhalten gebliebene Korrespondenz. Er war sehr deutsch eingestellt, war gegen die Vermischung von Rassen, da Kunst für ihn Ausdruck spezifischer Rassen war und die „nordische Kunst“ sich in der Auseinandersetzung mit der jüdisch geprägten „südlichen Kunst“ (Impressionismus) befand“, analysiert Regenbrecht. Zwar, so der Archivar in seinem Fazit, sei Nolde als Künstler durchaus wichtig, einer der großen Aquarellisten des 20. Jahrhunderts, dessen Bilder hohe Qualität haben und völlig zurecht in Museen hängen. Seine Einstellung hingegen sei nicht mit heutigen Werten zu vereinbaren. „Seine unentschuldbaren antisemitischen und nationalsozialistischen Äußerungen sind sicher nicht nur als opportunistische und strategische Anbiederungen an die Nazis zu bewerten“, zieht Regenbrecht Resümee. Aber: „Dunklen Kapiteln der Vergangenheit stellt man sich nicht, indem man ihre Spuren tilgt, sondern indem man sie aufarbeitet.“, so Regenbrecht in seiner Handlungsempfehlung an die Politik. „Es gibt viele Wege, um sich mit dem Erbe der Geschichte auseinander zu setzen. Sie erfordern allerdings mehr Kreativität, als man für das bloße Austauschen eines Straßenschildes braucht. Eine Straßenumbenennung ist nicht alternativlos“. Regenbrecht wünscht sich einen Kriterienkalatog, mit dem die Straßennamen auf eine eventuelle historische Belastung hin untersucht werden könnten.

Dieser Empfehlung ist die Meerbuscher Politik gefolgt. Wie schon bei der Büdericher Hindenburgstraße wird es eine Hinweistafel mit erklärendem Text geben, der Noldes Verhältnis zum NS-Regime nach heutigem Forschungsstand aufzeigt. Damit sollen auch den Anwohnern des Emil-Nolde-Wegs – betroffen wären 32 Personen in 12 Haushalten – Kosten und Mühen erspart werden. Eine Straßenumbenennung hätte zur Folge, dass mindestens 16 Institutionen informiert und zahlreiche Dokumente geändert werden müssten.

Auch wenn die Mehrheit der Ausschussmitglieder für die Lösung, den Namen beizubehalten und mit einer Tafel Kontext bereitzustellen, votierte, die Grünen-Fraktion, zeigt sich mit dieser Lösung nicht zufrieden. „Vor allem, dass nur noch die Tafel als Lösung vorgestellt wurden, kritisieren wir“, so Barbara Neukirchen, die den Antrag im Sommer formuliert hatte. „Man muss sich entscheiden, ob man Emil Nolde ehren will oder nicht. Wenn man den Namen behält, braucht man auch keine Tafel, die wird bei einem so versteckten Weg keine Wirkung zeigen.“