Endlich ein bisschen Frieden?
Beim Grand Prix soll es wieder Expertenjurys geben. Die westlichen Länder hoffen auf ein Ende der „Balkanmafia“.
Hamburg/Moskau. Dem europäischen Publikum trauen die Organisatoren des Grand Prix offenbar nicht mehr: Beim nächsten Eurovision Song Contest, der 2009 in Moskau stattfindet, soll es wieder Expertenjurys geben. Die westlichen Länder wollen offenbar verhindern, dass vor allem osteuropäische Beiträge auf den ersten Plätzen landen. In den vergangenen Jahren waren die Ergebnisse in Deutschland heftig kritisiert worden - insbesondere das Votum der "Balkanmafia".
Die Zuschauer dürfen jetzt zwar weiter abstimmen, aber ihr Votum zählt nur noch 50 Prozent. Für jedes Land soll es eine Jury geben, die ebenfalls zur Hälfte Einfluss auf die Punktevergabe der Nation hat. Dieses neue System haben die europäischen Senderchefs auf einer Tagung in Moskau beschlossen.
Ob Deutschland damit wieder eine Chance beim Grand Prix hat? Fakt ist, dass die deutschen Beiträge in den vergangenen Jahren in schöner Regelmäßigkeit hinten landeten. Roger Cicero, Gracia, Texas Lightning - keiner fand Gnade vor dem europäischen Publikum. In diesem Jahr kamen die No Angels mit "Disappear" in Belgrad auf den letzten Platz.
Das könnte an dem dünnen Liedchen der gecasteten Sanges-Engel gelegen haben - schnell war in Deutschland aber auch von "Schiebung" und "Russendisco" die Rede. Die "Ostblock-Connection" habe sich die Punkte zugeschustert. Gewonnen hatte schließlich der Russe Dima Bilan - mit der Ballade "Believe", die der US-Produzent Timbaland auf Vordermann gebracht hatte, einer aufwändigen Bühnenshow und einem aufgeknöpften Hemd. Auch einen ungarischen Stargeiger und den Eiskunstlauf-Olympiasieger Jewgeni Pljuschtschenko hatten die Russen engagiert.
Rein rechnerisch war der Vorwurf der Schiebung zwar nicht haltbar, da Bilan auch gewonnen hätte, wenn man nur die Punkte der mittel- und westeuropäischen Länder gezählt hätte. Aber das änderte an der Empörung wenig.
Svante Stockselius, Generalsekretär des Eurovision Song Contest für den Verbund der europäischen TV-Sender, sagt nun: "Eine Jury hat die Möglichkeit, sich Lieder mehrfach anzuhören, bevor sie eine Entscheidung fällt. Wir glauben, dass eine Kombination die Show interessanter machen wird."
Ralf Quibeldey, Unterhaltungschef beim Norddeutschen Rundfunk (NDR), ist von dem neuen Abstimmungsmodus überzeugt: "Ich glaube, dass die Qualität der Musik so stärker zu ihrem Recht kommen wird." Deutschlands Grand-Prix-Chef rechnet mit einigen Überraschungen: "Die Kritik ist ja immer, dass das Abstimmungsverhalten einiger Länder sehr vorhersehbar ist. Ich bin zuversichtlich, dass sich dies durch das neue System ändern wird."
Aber könnten sich die benachbarten Länder-Jurys nicht genauso die Punkte zuschieben wie die Zuschauer? "Das ist eine leidige Diskussion", sagt NDR-Sprecherin Iris Bents. Man werde nie auseinander rechnen können, ob eine Entscheidung an Nachbarschaft oder musikalischem Geschmack liege.
Und wer kommt in die deutsche Jury? Dieter Bohlen? Ralph Siegel? Stefan Raab? Oder Platten- und Fernseh-Bosse? Das steht laut Quibeldey noch nicht fest. Die Jury werde aus fünf Mitgliedern bestehen, die "aus einem professionellen Musikumfeld" stammen, hieß es gestern. Ob sich auch der deutsche Vorentscheid ändern wird, steht noch nicht fest.