Erste Hinweise auf den Mafia-Mörder
Nach der Veröffentlichung eines Phantombildes gingen am Freitag neue Anhaltspunkte aus der Bevölkerung ein. In San Luca hat die Polizei mehrere Häuser durchsucht.
Duisburg. Zwei Tage nach dem Sechsfachmord von Duisburg konzentriert die Mordkommission die Fahndung auf zwei mutmaßliche Täter aus dem italienischen Mafiamilieu. Nach der Veröffentlichung eines Phantombildes gingen am Freitag neue Anhaltspunkte aus der Bevölkerung ein. "Es gibt Hinweise, denen wir jetzt nachgehen", sagte Polizeisprecher Reinhard Pape.
Seit Donnerstagabend sucht die Polizei mit einem Phantombild nach einem der beiden Täter des Mordanschlags vom vergangenen Mittwochmorgen. Das Bild zeigt den dunkelhaarigen Fahrer des Wagens, mit dem die Männer geflüchtet sein könnten. Zu dem zweiten Verdächtigen gebe es bislang keine Beschreibung. Die Männer sollen aus der Umgebung des Tatorts vor einer Pizzeria geflüchtet und in eine dunkle Limousine gesprungen sein.
Der Bundesnachrichtendienst (BND) hat einem Zeitungsbericht zufolge seit längerem Hinweise darauf, dass italienische Mafia-Banden ein starkes Netzwerk in Deutschland unterhalten. Die italienische Polizei hat in der Nacht zu Freitag in dem kalabrischen Dorf San Luca mehrere Häuser durchsucht. Wie die Nachrichtenagentur Ansa berichtete, überprüfte die Polizei auch mehrere Verdächtige und Verurteilte, die in der Region unter Hausarrest stehen. Aus dem 4000-Einwohner-Dorf stammen die beiden verfeindeten Clans, deren seit Jahren andauernde Fehde nach bisherigen Erkenntnissen zu den Morden an sechs Italienern in Duisburg führte.
Die italienische Zeitung "La Repubblica" berichtete am Freitag, die Vendetta zwischen den beiden Clans der kalabrischen Mafia, der Ndrangheta, sei in Wirklichkeit ein Kampf um die Kontrolle des Handels von Drogen aus Kolumbien. Mittlerweile scheint sich ein weiteres Motiv für die Tat abzuzeichnen. Wie die Zeitung "Corriere della Sera" am Freitag berichtete, wollte eines der Opfer in Deutschland offenbar Waffen kaufen und nach Italien schmuggeln. Der 25-jährige Marco M., der dem Clan Vottari-Pelle-Romeo angehörte, sei schon länger von der Polizei überwacht worden. Telefonabhörungen hätten ergeben, dass er unter anderem auf der Suche nach Maschinenpistolen war, die in der Blutfehde mit dem Clan Strangio- Nirta zum Einsatz kommen sollten. Jedoch hätten die Killer zugeschlagen, bevor die Polizei zugreifen konnte, hieß es. Marco M. soll zudem an der Ermordung der Ehefrau des verfeindeten Mafia-Paten beteiligt gewesen sein. Maria Strangio, Frau des mutmaßlichen Clan-Chefs Giovanni Nirta, war im vergangenen Dezember getötet worden. Dies gilt Medienberichten zufolge bei den Ermittlern bisher als Hauptmotiv für die Bluttat. Durch den Mord war die seit 16 Jahren dauernde Fehde zwischen den Familien Strangio-Nirta und Vottari-Pelle-Romeo neu aufgeflammt. Warum Marco M. als Verdächtiger nicht in Haft saß, ist unklar. Das Innenministerium in Rom wollte sich nicht dazu äußern. Auch ist nicht sicher, ob die Täter eigens aus Italien nach Duisburg angereist waren, oder ob sie bereits länger im Ruhrgebiet lebten. Klar ist, dass fünf der Opfer ursprünglich aus San Luca stammten. Einer der getöteten Italiener, Sebastiano S., war Ende 2005 aufgrund eines italienischen Haftbefehls in Amsterdam verhaftet worden. Er wurde an Italien ausgeliefert. In den Niederlanden liefen keine Ermittlungen gegen den Mann, sagte ein Sprecher der Polizei in Amsterdam. Er soll der Wirt des Restaurants "Da Bruno" gewesen sein, in dem gefeiert wurde. Im dem Restaurant, das früher an anderer Stelle in Duisburg geführt wurde, ist im Frühjahr 1991 der aus italienischer Haft entflohene, wegen Totschlags verurteilte Antonio G., verhaftet worden. Der in San Luca geborene Mann war der 'Ndrangheta zuzurechnen. Er hatte in Italien einen Totschlag begangen und war im Ruhrgebiet untergetaucht, wo er verschiedene Arbeitsstellen hatte. "Die Umstände der Festnahme bestätigen, dass die 'Ndrangheta Deutschland als Ruhe und Schonraum nutzt, um Angehörige aus dem Focus italienischer Strafverfolgungsorgane zu halten", erklärte die Polizei. Der getötete Sebastiano S. soll vor Jahren das "Da Bruno" übernommen haben. Ministerpräsident Romano Prodi versicherte inzwischen, die italienische Regierung habe einen "enormen Kampf" gegen das organisierte Verbrechen begonnen. Gleichzeitig rief er die jungen Menschen im Land dazu auf, "dem Land zu helfen, um eine historische Veränderung zu erzielen".