Fernsehpreis: Heidenreich meldet sich zu Wort
Die Literaturkritikerin schimpft über das Fernsehen. Marcel Reich-Ranicki diskutiert am Freitag im ZDF.
Hamburg. Nach dem Eklat bei der Verleihung des Deutschen Fernsehpreises kritisiert nun noch heftiger als Marcel Reich-Ranicki selbst Elke Heidenreich (65), die Moderatorin der ZDF-Sendung "Lesen!", die Qualität des Fernsehens und ihren eigenen Sender. In der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (Montag) schrieb sie im Aufmacherartikel des Feuilletons: "Man schämt sich, in so einem Sender überhaupt noch zu arbeiten. Von mir aus schmeißt mich jetzt ’raus, ich bin des Kampfes eh müde."
Die Preisverleihung nannte sie "hirnlose Scheiße" und Gottschalks Moderation "routiniert und ohne einen Funken von Witz oder Geist". Gottschalk habe nur eine Eigenschaft, die ihn zum Moderator befähige - "er ist nicht intelligent, er ist nicht charmant, er hat keinen Witz, aber er ist reaktionsschnell".
Ein ZDF-Sprecher reagierte am Montag mit der Erklärung: "Wir haben die Kritik von Frau Heidenreich an der Verleihung des Deutschen Fernsehpreises 2008 zur Kenntnis genommen. Über die Zukunft ihrer Sendung "Lesen", eines wichtigen Programmakzents im ZDF, sind wir ohnehin seit einiger Zeit im Gespräch." Die nächste Ausgabe von "Lesen!" ist für den 31. Oktober geplant.
Am Freitag diskutiert der Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki nun im ZDF mit Thomas Gottschalk über Qualität im Fernsehen. Der Mainzer Sender erfüllte am MOntag das Versprechen, das Moderator Gottschalk dem zornigen Reich-Ranicki nach dessen Wutausbruch am Samstagabend gegeben hatte, und nahm für diesen Freitag kurzfristig die Sendung "Aus gegebenem Anlass" ins Programm (22.30 Uhr). Auf diesem Sendeplatz läuft sonst das Kulturmagazin "Aspekte".
Reich-Ranicki (88) hatte die Entgegennahme des Ehrenpreises für sein Lebenswerk am Samstagabend abgelehnt und heftige Kritik an dem Programm des Abends und der Qualität vieler Fernsehsendungen geübt. Gottschalk (58) rettete die Situation, indem er die Trophäe symbolisch entgegennahm und dem Literaturkritiker eine gemeinsame TV-Sendung versprach. ZDF-Programmdirektor Thomas Bellut zeigte sich am Montag erfreut über Reich-Ranickis Zusage und erklärte: "Wir sind offen für Kritik und räumen ihr gerne Raum ein."
Für den Direktor des Adolf-Grimme-Instituts, Uwe Kammann, kam Reich-Ranickis Wutrede "überraschend", weil er ja wusste, mit welchem Preis er ausgezeichnet werden sollte. "Inwieweit ihm allerdings klar war, was in so einer Show auf ihn zukommt, ist fraglich."
Auch wenn sich Reich-Ranicki über die Darbietungen und die lange Wartezeit geärgert habe, sei es "problematisch", seine Fundamentalkritik an dieser Stelle und bei dieser Gelegenheit zu äußern.
Heidenreichs Abrechnung mit ihrem Sender ZDF nannte Kammann "maßlos übertrieben". "Sie schüttet das Kind mit dem Bade aus, zumal sie auch die Leistung von Thomas Gottschalk in Grund und Boden kritisiert, der ja nach einhelliger Meinung mit seiner schnellen Reaktion den Abend gerettet hat."
Heidenreichs Artikel sei entweder ein "Schnellschuss" oder Ausdruck eines "langen, latenten Unbehagens" am Fernsehen und den dortigen Möglichkeiten und Grenzen.
Reich-Ranicki widersprach am Montag Medienberichten, er habe den abgelehnten Preis doch mit nach Hause genommen. "Ich weiß nicht, wo er ist. Den hat Frau Trebitsch mitgenommen." Moderator Gottschalk hatte die Plastik nach seiner Laudatio notgedrungen an TV-Produzentin Katharina Trebitsch übergeben, die Reich-Ranickis Biografie für die ARD verfilmt.
Reich-Ranicki betonte, dass ihn der Verbleib des Preises nicht weiter interessiere. Am Sonntag verfolgte er nach eigenen Angaben nur seinen eigenen Auftritt in der Aufzeichnung der ZDF-Sendung. Auf die Frage, ob er alles richtig gemacht habe, sagte er: "Ich glaube ja."