Frankreich entdeckt einen neuen Benedikt

Pilgerreise: Dem Papst gelingt es, die Skepsis ihm gegenüber in Begeisterung umzuwandeln.

Lourdes. Die Ringe unter den Augen sprechen Bände. Marie und Paul, die 17- und 19-jährigen Geschwister aus Arras im französischen Norden, sind auf Papst-Tour, folgen Benedikt XVI. von Paris nach Lourdes, von Messe zu Messe. Ein Marathon ist das, der den beiden aber nichts ausmacht.

Dieser Papst hält sie wach. Dabei ist das Kirchenoberhaupt aus Deutschland alles andere als ein kirchlicher Popstar, der leicht konsumierbare Inhalte verbreitet. "Er zwingt uns, genau zuzuhören", sagt Paul in Lourdes nach der feierlichen Sonntagsmesse mit leuchtenden Augen.

Das macht wohl die Faszination dieses Papstes aus. Frankreich entdeckt einen ganz anderen Benedikt als erwartet. Mit einem unnahbaren Professor, einem konservativen Dogmatiker, gestählt durch die Jahre an der Spitze der römischen Glaubenskongregation, hatten viele Franzosen gerechnet. Entsprechend groß war die Skepsis selbst unter vielen Gläubigen.

Doch Benedikt hat das Eis schnell gebrochen. Auch Marie und Paul lassen Benedikts Sätze nachklingen, die in einem exzellenten Französisch und kaum merklichen deutschen Akzent vorgetragen werden. "Habt keine Angst", hatte der Papst den vielen Jugendlichen schon in Paris zugerufen. Aber auch: Folgt nicht den falschen Propheten. Statt steifer Moralpredigten "spricht er unseren Alltag an", meinte Paul.

Auch in seinen politischen Reden in Paris ging Benedikt auf die weltliche Republik zu, auf die Frankreichs Elite so stolz ist. Den Laizismus etwa, der die Religion strikt aus dem öffentlichen Leben verbannt, nimmt er als gegeben hin, lobt ausdrücklich die Fortschritte, die Staat und Kirche in ihrem konfliktreichen Verhältnis in den letzten Jahren gemacht hätten.

Selbst Spitzen-Sozialisten, die den pompösen Staatsempfang des Papstes in der französischen Hauptstadt anfangs nur mit erkennbarem Bauchgrimmen hingenommen hatten, waren am Ende beeindruckt von diesem Kirchenführer, der keineswegs als herrischer Missionar auftrat, sondern sich mühte, Glauben und Vernunft zu versöhnen.

Im Wallfahrtsort Lourdes, dem eigentlichen Ziel seiner insgesamt viertägigen Pilgerreise, gab sich der Papst volksnäher. Mehrfach segnete er Babys, die ihm gestern auf der Fahrt im Papamobil durchs offene Fenster gereicht wurden.

Lourdes, dieser kleine Ort am Fuß der Pyrenäen, ist auch für Benedikt ein Ort der Hoffnung, obwohl sich der Papst vom ungebrochenen Glauben an Wunderheilungen ein Stück weit absetzte. "Unzählige Menschen kommen hierher vielleicht mit der heimlichen Hoffnung auf ein Wunder." Aber für ihn bestehe das Wunder darin, dass sich auf dem Heimweg der "Blick auf Gott, die anderen und sich selbst" verändern könne, sagte der Papst.